„Grundsätzlich finde ich es wichtig, mit anderen Instrumentalisten gleichen Alters in Kontakt zu kommen.“ Gerade für Akkordeonschülerinnen und -schüler, die oft in kleinen Gruppen oder altersgemischten Ensembles musizieren, sei der Kontakt zu Gleichaltrigen entscheidend: „Die Selbstverständlichkeit, automatisch unter Gleichaltrigen Anschluss zu finden, wie z. B. bei Streichern/Bläsern, ist aber noch nicht gegeben.“
Neue Klangwelten und Perspektiven
Quakernack sieht im gemeinsamen Musizieren auch eine Chance, musikalisch voneinander zu lernen: „Man lernt nicht nur die Instrumente besser kennen, sondern auch seine Besonderheiten in Klang und Tonbildung. Da können wir doch nur voneinander lernen.“ Besonders die Zusammenarbeit mit Bläsern eröffnet neue Sichtweisen, so bekommt das Wort „atmen“ durch die gemeinsame Ensemblearbeit eine Selbstverständlichkeit, die praktisch erfahren wird und das Thema Balgwege ganz anders erklären lässt.
Ein weiteres Argument für das gemeinsame Musizieren ist das erweiterte Repertoire: „In meiner gemischten Band konnte ich Arrangements von bekannten Popstücken, wie z. B. Dance Monkey oder Despacito ins Programm nehmen, die für die jungen Akkordeonisten noch gar nicht denkbar gewesen wären.“ Quakernack hebt hervor: „Die harmonische Begleitung solcher Songs ist oft überschaubar und da können auch Anfängerinnen und Anfänger am Akkordeon mit nur wenigen Tönen einen tragenden Part übernehmen.“
Herausforderungen: Intonation und Organisation
Doch es gibt auch Herausforderungen: „Herausfordernd ist natürlich das Thema Intonation. Wenn wir nur im Akkordeonorchester spielen, brauchen wir uns mit der Thematik nicht zu beschäftigen.“ In Proben viel Zeit in saubere Intonation zu investieren, erfordert jedoch passende Kommunikation im Ensemble, um möglicher Ungeduld direkt entgegenzusteuern.
Auch organisatorisch gibt es Hürden: „Die Literatur für gemischte Ensembles ist leider auch noch nicht so vielseitig, wie für reine Akkordeonorchester, Bigbands, Blasorchester oder Streichorchester.“ Quakernack verweist aber auf erste Angebote: „Dennoch findet man unter den Stichworten ‚Flexi Band‘ oder ‚Kunterbunte Ensembles‘ schon ein gutes Angebot.“
Praktische Lösungen und digitale Unterstützung
Für den Unterricht setzt sie auf kreative Lösungen: „Ich schreibe immer eine Easy-Stimme hinzu, die in C-, B-, und Es-Stimmen verfügbar ist, so dass auch Anfängerinnen und Anfänger auf jedem Instrument mitmachen können. Für ganz kleine Schüler*innen sogar in bunten Noten.“ Auch digitale Hilfsmittel sind ein wichtiger Baustein: „Alle Gruppen nehmen ihren Part auf, und ich lade ihn auf eine geschützte Plattform. Jede Datei bekommt einen QR-Code, den ich den Schülerinnen und Schülern ins Heft kleben kann.“
Ensemblearbeit als Schlüssel zur Breitenbildung
Für Quakernack ist klar: „Die Ensemblearbeit ist elementar wichtig für eine nachhaltige Ausbildung am Instrument.“ Sie sagt: „Viele Schülerinnen und Schüler stehen nicht gerne im Fokus und fühlen sich deshalb in einer Gruppe direkt entspannter. Der Klang eines Ensembles bietet natürlich auch akustisch eine ganz andere Wahrnehmung, als wenn man nur für sich alleine arbeitet.“ Neben musikalischen Zielen hebt sie auch den sozialen Aspekt hervor: „Nicht zuletzt bilden sich Freundschaften. Diese können auch mal über ein Motivationstief hinweghelfen.“
Das Akkordeon ist ein Instrument, was aber schon problemlos im ersten Schuljahr starten kann.
Musikvereine als Partner für Schulen
Musikvereine können Schulen auf vielfältige Weise unterstützen, wenn sie ein ein fester Bestandteil von Schulfesten, Weihnachtsfeiern und Abschlussfeiern werden: „Es lassen sich sehr schnell einfache Arrangements schreiben, mit denen man z. B. den Schulchor zu Weihnachten begleiten kann.“ Für Akkordeonvereine bietet sich hier eine besondere Rolle: „Gerade Akkordeonvereine können hier schnell ein gutes Fundament liefern, da unser Instrument bereits ‚stimmt‘. Da lassen sich schnell ‚Fremdinstrumente‘ integrieren, und schon kann eine Schule an einem ‚Tag der offenen Tür‘ ein Schulorchester präsentieren.“
Bildungspolitische Rahmenbedingungen
Damit Kooperationen zwischen Schulen und Musikvereinen langfristig gelingen, braucht es mehr als nur engagierte Lehrkräfte und Vereine, es braucht auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Quakernack berichtet: „Wir haben da besonders gute Erfahrungen gemacht, wenn man sich auch an die Fördervereine der Schulen wendet.“ Ein starker Austausch zwischen Schulen, Fördervereinen und Vereinen sei entscheidend für den Erfolg gemeinsamer Projekte.
Ihr größter Wunsch an die Politik ist klar: „Optimal läuft es, wenn die Angebote des Vereins/der Musikschule fest in die Stundenpläne und den Schulalltag integriert werden. Das ist mein größter Wunsch, damit Ganztagsförderung auch wirklich eine Förderung bleibt und keine Verwahrung.“ Quakernack betont, dass musikalische Angebote nicht nur als sinnvolle Betreuung angesehen werden dürfen, sondern als Teil der musikalischen Frühförderung.
Kunst, Sport und vor allem Musik würden im Schulsystem in ihren Augen „viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, häufig sogar fachfremd unterrichtet.“ Sie warnt: „Dabei bieten besonders diese Fächer den Raum für kreative Persönlichkeitsentwicklung und kann auch Kinder auffangen, die ansonsten ‚durchs Raster rutschen‘.“ Hier könnten Vereine und Musikschulen eine wichtige Rolle spielen: „… nicht nur helfen, sondern aufarbeiten, was aufgrund des häufigen Lehrkräftemangels im Fach Musik ‚zu kurz‘ kommt.“
Quakernack sieht auch das Potenzial für Akkordeonvereine, sich langfristig in die Bildungslandschaft einzubringen: „An den weiterführenden Schulen sind Bläser- und Streicherklassen ein Aushängeschild für das Schulprofil. Das Akkordeon ist ein Instrument, was aber schon problemlos im ersten Schuljahr starten kann. Darauf müssen wir/sich unsere Vereine vorbereiten.“ Mit Blick auf die Ganztagsförderung 2026 sagt sie: „Dann ist GaFöG 2026 eine große Chance. Vielleicht sogar zum ersten Mal eine Chance, nicht nur in einer ‚Parallel-Welt‘ zu existieren, sondern mit guten Konzepten, wie es bei den Bläserklassen häufig der Fall ist, ein fester Bestandteil einer Schule zu werden.“
Claudia Quakernack ist Musikpädagogin mit langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit Akkordeonensembles und in der musikalischen Zusammenarbeit mit Schulen. Sie unterrichtet an der Musikschule Senne, wo sie unter anderem die „Rock-The-School-Band“ leitet – ein gemischtes Ensemble. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Schulen hat sie das Musical Portobellow Effekt erarbeitet. Dabei konnten auch Schauspielkinder ohne musikalische Vorerfahrung mitwirken und innerhalb weniger Proben Teil einer großen Gemeinschaft werden. Dieses Projekt hat viele neue Akkordeonschülerinnen und -schüler begeistert und gezeigt, wie wertvoll die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Musikvereinen und engagierten Pädagoginnen und Pädagogen ist. Quakernack ist überzeugt: „Hauptsache ist, es zu tun, es lohnt sich.“