Über das Phänomen »Musikwettbewerb« wurden unzählige Artikel verfasst. Ein Punkt, bei dem sich viele Expert*innen einig sind, ist, dass das Konzept des Wettbewerbs untrennbar mit der Aktivierung von Motivation verbunden ist, die wiederum entweder von außen oder von innen kommen kann. Innere Motivation ist für alle Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung (eines jungen Musikers oder einer jungen Musikerin) von immensem Wert. Obwohl die äußere Motivation von sekundärer Bedeutung ist, besitzt sie die Kraft, Prozesse auszulösen, die zur Wiedererweckung einer schlummernden inneren Motivation führen können.
»Wettbewerbe sind nicht wichtig«, hören wir nicht selten von Musikausübenden. Wenn wir die Bedeutung musikalischer Erfahrung (aktiv durch Musizieren oder passiv als Zuhörer oder Zuhörerin erlebt) mit irgendeiner Auszeichnung bei einem Musikwettbewerb vergleichen, wird vermutlich jeder Pädagoge und jede Pädagogin zustimmen, dass musikalische Erfahrung für einen Schüler oder eine Schülerin bedeutender ist als eine Auszeichnung bei einem Wettbewerb. Unter Berücksichtigung dieses Vergleichs kann der Wert von Wettbewerben tatsächlich (ungerechterweise!) verringert werden. Die Umsetzung von Musik, die künstlerische Darstellung und die musikalische Erfahrung an sich sollten das höchste Ideal sein, wenn wir uns mit dem Spielen eines Instruments beschäftigen, und das ist eng mit innerer Motivation verbunden. Viele, die sich wissenschaftlich mit diesem Thema befassen, weisen sogar darauf hin, dass eine signifikante Verbindung zwischen innerer Motivation und allen Maßnahmen des musikalischen Erfolgs besteht (einschließlich der Entwicklung technischer Fähigkeiten in Bezug auf ein bestimmtes Instrument).
Im Gegensatz dazu wird ein Wettbewerb mit Leistungsprüfung assoziiert und ist eng mit äußerer Motivation verbunden. Häufig lässt sich beobachten, dass viele junge Menschen nach der Teilnahme an einem Wettbewerb, dem eine ernsthafte Vorbereitung vorausgeht, eine viel engere Beziehung zur Musik haben.
Bei der Teilnahme an Musikwettbewerben ist eine Vielzahl von Aspekten zu beachten, die in einem ständigen Wechselspiel stehen und von zahlreichen Variablen abhängig sind.
1.
Nehmen wir an, dass die potenziellen Teilnehmer sind (erste Variable). Wenn jemand bereits ein Instrument spielt, kann man davon ausgehen, dass zumindest eine gewisse Motivation vorhanden ist. Dies bildet den Ausgangspunkt für die weitere Persönlichkeitsentwicklung, bei der Musik eine Rolle spielt. Nachdem die grundlegenden technisch-musikalischen Anforderungen gemeistert wurden, kann eine gewisse innere Motivation festgestellt werden. Dies ebnet den Weg für eine mögliche beschleunigte Entwicklung.
2.
Selten beginnt jemand ohne äußere Impulse aus dem direkten Umfeld mit instrumentalem Unterricht. Hier haben wir die zweite Variable: Familie, Schule und Freundeskreis. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Kreativität und Motivation. Psychologinnen und Psychologen sind sich einig, dass erst eine optimale Zusammenspiel dieser Faktoren Hochbegabung ermöglicht.
Es ist keine Seltenheit, dass sich jemand aus dem engeren Umfeld intensiv mit Musik beschäftigt. Solche äußeren Impulse sind ausreichend, um der Musik in jungen Jahren einen wichtigen im Alltag einzuräumen. Wenn die Person, die solche Impulse gibt, nicht aus der Familie oder dem Freundeskreis stammt, handelt es sich bei ihr häufig um eine Lehrkraft (dritte Variable).
3.
In Bezug auf die Möglichkeit einer Teilnahme an Musikwettbewerben spielt das Profil des Lehrers oder der Lehrerin eine bedeutende Rolle. Wenn der Schüler oder die Schülerin motiviert ist, täglich übt und klare Ziele hat, ist es wahrscheinlich, dass das Dreieck Schüler*in-Eltern-Lehrer*in harmonisch funktioniert. Es ist schwer vorstellbar, dass sich musikalische Fähigkeiten ohne Harmonie in diesem Dreieck gesund entwickeln können.
»Der Lehrer muss ein guter Psychologe sein«, sagt Galamian. Er hat die natürliche Verpflichtung, dieses Dreieck zu harmonisieren. Neben der Persönlichkeit sowie dem künstlerischen Profil des Schülers oder der Schülerin und der fachlichen Qualifikation der Lehrkraft spielt auch die Fähigkeit der Lehrkraft, den Schüler oder die Schülerin kontinuierlich zum Lernen und Üben zu motivieren, eine wichtige Rolle.
Sobald der Schüler oder die Schülerin die grundlegenden Fähigkeiten erreicht hat, liegt es in der Verantwortung der Lehrkraft, ein Repertoire auszuwählen, das den Schüler oder die Schülerin für die musikalischen Kunst öffnet. Sie sollte am kritischen und inneren Gehör arbeiten und ästhetische Kriterien im gesamten Erziehungsprozess beim Schüler bzw. bei der Schülerin fördern. Neben diesen Aufgaben legt die Lehrkraft mögliche Ziele fest, diese können auch die Teilnahme an Meisterkursen, das Mitspielen in einem Ensemble oder die Vorbereitung auf bestimmte Wettbewerbe umfassen (vierte Variable).
4.
Zur Orientierung lassen sich klare Profile unterscheiden, wie beispielsweise Motivationswettbewerbe, die minimale programmatische Anforderungen aufweisen, Festivalwettbewerbe mit begleitendem Konzertprogramm oder Meisterklassen, sowie prestigeträchtige Wettbewerbe mit höchsten programmatischen Anforderungen und stärkster Konkurrenz. In Anbetracht dessen ist es schwierig, die Vorbereitung auf den Regionalwettbewerb Jugend Musiziert mit der Vorbereitung auf den internationalen Akkordeonwettbewerb in Klingenthal zu vergleichen. Dennoch gibt es gewisse Prinzipien, die für die Vorbereitung auf jedem Niveau von Bedeutung sein können (fünfte Variable).
5.
Wenn die innere Motivation in ausreichendem Maße aktiviert ist, ist das, worauf man sich vorbereitet, nicht länger der Wettbewerb, sondern die Musik selbst. Die äußere Motivation hilft uns dabei, uns besser zu organisieren, die Arbeitsdynamik zu steigern und mehr Übungszeit zu planen, während die innere Motivation uns intensiv dem musikalischen Bild näherbringt. Man könnte sagen, dass im kreativen Prozess der Arbeit am Programm und an den Fähigkeiten der Teilnehmenden drei wesentliche Aspekte unterschieden werden können: der technische, der musikalische und der künstlerische. Es ist besonders wichtig, dass der Lehrer oder die Lehrerin nicht nur Einblick in diese Bereiche hat, sondern auch das Verständnis für die Korrelationen zwischen ihnen besitzt. Phrasieren auf dem Akkordeon wird durch die Art der Balgführung und die Fingersätze beeinflusst. Jeder Fingersatz phrasiert! Vom technischen Ansatz gelangen wir in den musikalisch-künstlerischen Bereich, aus dem die Idee von »Leichtigkeit und Schwere« wiederum im technischen Ansatz umgesetzt wird. Daher könnte man vermuten, dass die Akkordeon-Pädagogik für die moderne Zeit die Anwendung der allgemein bekannten Prinzipien erfordert. Wenn man sich mit den Schriften von Neuhaus, Galamian oder Lips beschäftigt, stellt man fest, dass alle über die gleichen Gesetzmäßigkeiten sprechen.
Eine der größten Aufgaben der Lehrkraft bei der Vorbereitung besteht darin, einen gesunden Ausgleich in der Entwicklung zwischen den drei Aspekten zu wahren. Ein einseitiger Fortschritt kann schädlich sein. Eine mögliche Lösung für diese Herausforderung bietet das Konzept der »verbundenen Ziele«. Die Lehrkraft als Mentor*in soll mehrere Ziele zu einem größeren Prozess verbinden. Diese Art der Vorbereitung führt zu bedeutungsvolleren Ergebnissen bei der Arbeit an den genannten Aspekten, da sie Raum und Zeit zur Reifung bietet.
Bei der Vorbereitung entsteht Raum für die unkonventionelle Methoden, von denen einige in dem Buch »Inner Game Musik – Der Mozart in uns« von Green und Gallwey zu finden sind. Manche, die digitale Plattformen voraussetzen, kann man bei »IAVA Iñaki Alberdi Virtual Academy« finden. Andere Methoden können organisatorischer Art sein, wie zum Beispiel Vorspiel-Sessions (Vorspielen des Programms vor der Klasse). Dies bietet eine gute Plattform zur Etablierung von Werten. Es wäre wünschenswert, dass die Mitschülerinnen und Mitschüler nach der Aufführung eine positive Kritik geben. Dies fördert nicht nur die Entwicklung von Kriterien bei den Schülerinnen und Schülern in der Klasse, sondern auch eine gesunde ethische Haltung anderen gegenüber, da sie sich möglicherweise bald an derselben Stelle befinden und ebenfalls »positiv kritisiert« werden. Auch Audioaufnahmen zu machen und sie (mit Noten) zu hören ist sehr produktiv. Eine unersetzliche Übung ist es auch, mit Noten, aber ohne Instrument zu üben.
In der Tat sollte sich der Auftritt bei einem Wettbewerb nicht von einem Konzert unterscheiden. Bei der Analyse der fünf eben erläuterten Variablen ist es immer eine Herausforderung, die richtige Art der Vorbereitung auf einen Wettbewerb zu finden, da die Anzahl der zu beachtenden Aspekte muss unermesslich ist. Nur die Musik bleibt die, die ist.
Die Aufführung ist abgeschlossen, die Ergebnisse sind bekannt und der Wettbewerb liegt hinter uns. Unabhängig vom endgültigen Ergebnis hat der oder die Teilnehmende bereits durch die Umsetzung des in diesem Artikel vorgestellten Prozesses etwas Wertvolles gewonnen.