Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche
Ferienlager sind eine großartige Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, sich mit Gleichaltrigen zu treffen und neue Erfahrungen zu sammeln. Doch wie können Ferienlager für alle Teilnehmenden zu einer positiven Erfahrung werden? Die Antwort liegt in der Partizipation der Kinder und Jugendlichen. In diesem Artikel werden wir uns damit beschäftigen, wie Ferienlager die Teilnehmenden dabei unterstützen können, sich aktiv an Entscheidungen zu beteiligen und ihr eigenes Erlebnis mitzugestalten.
Was ist Partizipation?
Partizipation ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Recht auf Mitbestimmung und Mitsprache verwendet wird. Partizipation bezieht sich auf die Beteiligung von Menschen an Entscheidungsprozessen, die sie selbst betreffen.
Nach einem von Roger Hart und Wolfgang Gernert erarbeiteten Konzept gibt es acht Stufen der Beteiligung, von der Manipulation und Dekoration der Kinder und Jugendlichen (unterste Stufen) bis zur vollen Beteiligung und Mitbestimmung (oberste Stufen). Echte Partizipation findet somit erst auf den obersten Stufen statt, also wenn die Jugendleiter*innen wirklich Entscheidungen in die Hände der Teilnehmenden legen und dabei nicht ihre eigenen Interessen verfolgen. Organisator*innen von Ferienlagern sollten sich darüber bewusst sein, welche Stufen der Partizipation sie ihren Teilnehmenden ermöglichen und wie sie ihre Programme entsprechend gestalten können, um Beteiligung und Engagement zu fördern. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie schlechte Entscheidung zulassen sollen: Das Organisationsteam muss immer die Sicherheit der Teilnehmenden, die grundlegenden Ziele des Vereins und die Finanzen im Auge behalten. Ideen und Vorschläge der Kinder und Jugendlichen, die diesen Aspekten widersprechen, müssen eingeordnet und transparent widerlegt werden. Der Entwicklung der Teilnehmenden ist dies in der Regel zuträglich, da sie lernen, Grenzen und Rahmenbedingungen zu akzeptieren und mit ihnen umzugehen.
Partizipation im Kontext von Ferienlagern bedeutet, dass Kinder und Jugendliche aktiv an der Gestaltung ihrer eigenen Erfahrungen beteiligt sind und eine Stimme haben. Sie ist somit ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts solcher Veranstaltungen. Es geht darum, den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, Verantwortung für das eigene Erleben zu übernehmen. Partizipation fördert die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen und unterstützt sie bei der Stärkung ihres Selbstbewusstseins und ihrer Selbstwirksamkeit. Sie ist jedoch kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, den Teilnehmenden komplett alles zu erlauben oder ihnen freie Hand zu lassen. Vielmehr geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Kinder und Jugendliche ihre Meinung sagen und ihre Ideen einbringen können, aber auch lernen, Kompromisse zu finden und Regeln einzuhalten.
Wie können Ferienlager Partizipation ermöglichen?
Es gibt zahlreiche Optionen, wie sich Kinder im Ferienlager partizipativ einbringen können. Hier einige Beispiele:
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- Beteiligung an der Programmgestaltung: Kinder und Jugendliche können Ideen und Vorschläge für das Programm des Ferienlagers einbringen und es so mitgestalten. Auf konkrete Programmvorhaben, wie die Auswahl von Musikstücken oder die Gestaltung eines offenen Konzerts, können mit den Teilnehmenden geplant werden.
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- Feedbackrunden: Durch regelmäßige Feedbackrunden können die Teilnehmenden ihre Meinung äußern und Verbesserungsvorschläge einbringen.
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- Gruppendiskussionen: Diskussionen in Gruppen ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, ihre Ideen und Meinungen auszutauschen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
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- Verantwortungsübernahme: Kinder und Jugendliche können Verantwortung übernehmen, zum Beispiel bei der Planung von Aktivitäten oder bei der Organisation von Aufgaben in der Gruppe.
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- Wahl des Gruppensprechers bzw. der Gruppensprecherin: Die Wahl eines Gruppensprechers bzw. einer Gruppensprecherin gibt den Teilnehmenden eine Stimme und ermöglicht es ihnen, ihre Meinung zu äußern sowie an Entscheidungen teilzuhaben.
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- Camp Council: Ein Camp Council ist eine Gruppe von Teilnehmenden, die als Vertreter*innen aller Gruppen Entscheidungen treffen, die die Gestaltung des Ferienlagers betreffen. So können die Teilnehmenden sich verantwortlich zeigen und auf höherer Ebene Einfluss nehmen. Der Gruppe kann zum Beispiel auch die Aufgabe übertragen werden, einen Teil des Geldes, welches für Snacks oder Programmvorhaben genutzt werden soll, zu verwalten.
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- Vorbereitung: Auch im Vorfeld des Ferienlagers können Kinder und Jugendliche bereits an den Planungen teilhaben, indem mit ihnen gemeinsam beispielsweise Ort, Zeitraum oder Verpflegung diskutiert und entschieden werden.
Vorteile von Partizipation
Einige Vorteile von Partizipation in Ferienlagern wurden bereits erwähnt – hier sind die wichtigsten nochmals kompakt zusammengefasst:
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- Stärkung der Selbstwirksamkeit: Die Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, stärkt das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen. Sie erfahren, dass ihre Meinung wichtig ist und dass sie Einfluss auf ihr Umfeld haben.
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- Verbesserung der sozialen Fähigkeiten: Durch die Zusammenarbeit in Gruppen und die Beteiligung an Entscheidungen lernen Kinder und Jugendliche, ihre Meinung zu äußern und zu diskutieren, ohne andere zu verletzen, oder zu dominieren. Sie lernen aufeinander einzugehen und Kompromisse zu schließen.
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- Individuelle Entfaltung: Partizipation ermöglicht es den Gruppenmitgliedern, ihre Interessen und Stärken zu entfalten. Sie können aus unterschiedlichen Aktivitäten wählen, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind und sich so in ihrem eigenen Tempo entwickeln.
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- Erhöhung der Motivation: Wenn Kinder und Jugendliche aktiv an der Gestaltung ihres Erlebnisses beteiligt sind, steigt ihre Motivation und ihr Engagement für das Ferienlager. Sie fühlen sich wertgeschätzt und ernst genommen und sind dadurch bereit, mehr zu investieren.
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- Vermeidung von Langeweile: Wenn die Gruppe selbst entscheiden kann, welche Aktivitäten sie durchführen möchte, wird vermieden, dass sie sich langweilt oder unzufrieden ist. Kinder und Jugendliche haben so die Möglichkeit, ihre Freizeit nach ihren eigenen Interessen zu gestalten.
Herausforderungen der Partizipation
Partizipation ist nicht immer einfach umzusetzen. Es gibt viele Herausforderungen, die beachtet werden müssen, um sicherzustellen, dass die Teilnehmenden ihre Meinung äußern können, ohne andere zu verletzen oder zu dominieren. Einige Beispiele sind:
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- Altersgemischte Gruppen: In altersgemischten Gruppen kann es schwierig sein, die Bedürfnisse und Interessen aller zu berücksichtigen. Ältere Kinder und Jugendliche können dominanter sein und Jüngere ausschließen oder einfach überstimmen.
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- Zeit- und Ressourcenmangel: Ferienlager haben oft begrenzte Ressourcen und Zeit, um alle Ideen und Vorschläge der Mitwirkenden umzusetzen. Es ist wichtig, realistische Erwartungen zu haben und Prioritäten zu setzen.
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- Interessenkonflikte: die Teilnehmenden unterschiedliche Interessen und Meinungen haben, kann es schwierig sein, einen Konsens zu finden. In diesen Fällen ist es wichtig, alle Stimmen anzuhören und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die für alle akzeptabel ist.
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- Mangelnde Erfahrung: Manche Kinder und Jugendliche haben möglicherweise keine Erfahrung mit Partizipation und wissen nicht, wie sie ihre Meinung äußern sollen. Hier ist es wichtig, ihnen Zeit und Raum zu geben, um zu lernen und sich zu entwickeln.
Vorüberlegungen und Maßnahmen zur Planung eines Ferienlagers
Um Partizipation in einem Ferienlager zu fördern, sollten Jugendleiter*innen im Vorfeld verschiedene Maßnahmen ergreifen. Zunächst sollten sie die Teilnehmenden darüber informieren, welche Partizipationsmöglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen und wie sie sich aktiv einbringen können.
Dazu sollte sich vorab aber auch das Leitungsteam mit Teilhabe-Möglichkeiten auseinandersetzen. Dies kann in Form einer Schulung passieren. In meinem Jugendleiter-Blog biete ich dazu ein vertiefendes eBook an, das die Bedeutung von Partizipation und Mitbestimmung vermittelt und Methoden präsentiert, um Kinder und Jugendliche zu ermutigen, ihre Ideen und Meinungen zu äußern.
Darüber hinaus können Jugendleitungen bereits vor dem Ferienlager eine Umfrage unter den Teilnehmenden durchführen, um herauszufinden, welche Interessen und Bedürfnisse die Gruppe hat. Diese Informationen können in die Planung des Ferienlagers einfließen und sicherstellen, dass die Wünsche der Kinder und Jugendlichen in den Entscheidungsprozesse im Vorfeld bereits einbezogen werden.
Fazit
Partizipation kann ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts eines Ferienlagers sein, wenn die Leitung bereit ist, Macht und Verantwortung abzugeben und sich auf Augenhöhe mit den Teilnehmenden zu bewegen. Sie ermöglicht es diesen, ihre Meinung frei zu äußern, Verantwortung zu übernehmen und ihre Interessen und Stärken zu entfalten. Partizipation fördert die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen und unterstützt sie dabei, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit zu entwickeln.
Über den Autor
Daniel Seiler lebt für gute Jugendarbeit. Er ist Autor des Jugendleiter-Blogs und diverser Spielebücher, war viele Jahre im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) aktiv, leitete über 500 Gruppenstunden und Ferienlager und arbeitete bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg als Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er wohnt in Erfurt und ist als Redakteur, freiberuflicher Autor und Social Media Manager tätig.