Welche Energie freigesetzt wird, wenn Menschen an einem Ort zusammenkommen! Lange schwirrte die Idee für einen DHV-Kongress schon durch die Köpfe der Mitarbeitenden des DHV, Ende April konnte sie im Martin-Niemöller-Haus in Schmitten im Taunus umgesetzt werden: Knapp 80 Menschen aller Verbandsebenen kamen zusammen, um gemeinsam Schritte in die Zukunft zu gehen. Dafür haben sich die Teilnehmenden drei Tage Zeit genommen, um Impulse zu erhalten und Lösungsansätze für gegenwärtige Herausforderungen zu entwickeln. Ziel war es einerseits, den Mitgliedern Unterstützung für Ihre Tätigkeiten zu geben, indem sie neue Ideen beispielsweise zu Fragen nach Kooperationsmöglichkeiten und Mitgliedergewinnung erhielten. Andererseits sollte für die Verbandsarbeit herausgearbeitet werden, welche Themen und Herausforderungen aus Sicht der Mitglieder von zentraler Bedeutung sind und mit welchen Strategien diese angegangen werden können. Zusammen wurden so Lösungsansätze entwickelt und Wünsche und Bedürfnisse an den Verband formuliert, um die Amateurmusiklandschaft als wichtige Orte des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der musikalischen Bildung vor allem in ländlichen Räumen zu stärken.
Nach einem gemeinsamen Abendessen am Freitag wurde der Kongress durch den DHV-Geschäftsführer Johannes Wollasch und mit einer Grußbotschaft des DHV-Präsidenten Jochen Haußmann MdL eröffnet. DHV-Mitarbeiter Andreas Zimmermann gab einen Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen im Ehrenamt und den Stand des Amateurmusizierens. Darauf folgend erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die Vereinsarbeit zweier Ensembles. Für das Akkordeon-Orchester 1957 St. Tönis e.V. sprach Oliver Schieren, der in der Ausgabe 02/2022 der Harmonika International bereits über die zahlreichen und innovativen Aktivitäten, insbesondere im Bereich der Jugendarbeit, berichtet hat.
Wolfgang Opitz stellte anschließend unter anderem dar, mit welchen kreativen Formaten und großer Motivation der Akkordeon-Club Sulzbach erfolgreich durch die Pandemiejahre gekommen ist und währenddessen sogar neue Mitglieder gewinnen konnte. Die beiden Vorträge zeigten eindrucksvoll, wie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen eine erfolgreiche und nachhaltige Vereinsarbeit gelingen kann. Einen Einblick erhalten Sie auf den Websites der beiden Vereine (siehe Abb. links).
Der Samstag stand mittels der Methode »Zukunftswerkstatt« ganz im Zeichen der Entwicklung von Lösungsansätzen für die Bewältigung aktueller Herausforderungen in der Amateurmusikszene. Wie sich diese Methode gestaltete und zu welchen Themen gearbeitet wurde, wird im weiteren Verlauf dieses Artikels ausführlich beschrieben. Nach einem ergiebigen und intensiven Tag bot der Jugendchor »P!tch Please!« am Abend ein tolles Konzert und wohlverdiente Unterhaltung. Neben dem musikalischen Programm lieferten Mitglieder und der Leiter des Chors, Nicolas Ries, im Gespräch mit Ingolf Schneider Einblicke in die Arbeitsweisen. Interessierte finden weitere Informationen zum Chor unter: www.pitchplease-elz.de. Am Sonntag erhielten die Teilnehmenden des Kongresses die Möglichkeit, in insgesamt zehn Impuls-Seminaren konkrete Beratung zur Gestaltung Ihres Vereinslebens zu erhalten. Dozierende waren u. a. Dominik Eichhorn, Leiter der Abteilung »Kooperation und Bildung« bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, sowie Jutta Mettig, Expertin für Organisationsberatung und -entwicklung, die im Folgenden ebenso Ihre Eindrücke vom DHV-Kongress teilt. Nach einer gemeinsamen Auswertung des Kongresses endete dieser mit dem Mittagessen, nachdem die Teilnehmende erschöpft aber auch sichtlich motiviert die Heimreise antraten. Für alle Beteiligten war der Kongress, nach den vergangenen schwierigen Jahren, in denen die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Besonderen auch das kulturelle Leben stark eingeschränkt haben, eine inspirierende und bereichernde Erfahrung, die noch lange nachhallen und konkrete Schritte nach sich ziehen wird.
Die Zukunftswerkstatt
Die Zukunftswerkstatt ist als eine partizipative und demokratische Methode zu verstehen, mithilfe derer verschiedenste Gruppen-/Teamkonstellationen darin begleitet werden, Probleme zu identifizieren und gemeinsam zu lösen. Kern der Methode ist, dass die Strategien durch die Teilnehmenden selbst erarbeitet werden und sie dabei lediglich von außen begleitet und beraten werden – so gelangen die Teilnehmenden in die Rolle, selbst »Expert*innen« für ihre Situation zu sein. Vier zentrale Herausforderungen der Amateurmusik wurden, als Fragen formuliert, zu Beginn an die Teilnehmenden gegeben, die in zwei Gruppen pro Fragestellung aufgeteilt wurden:
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- Wie stellt sich die Situation in Ihren Strukturen in Bezug auf neue Mitglieder und musikalische Beteiligung dar?
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- Wie sehen die Voraussetzungen in Ihren Strukturen aus, damit Menschen sich engagieren und das Vereinsleben mitgestalten?
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- Ist in Ihren Strukturen der Bedarf an Lehrkräften gedeckt?
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- Wie stellt sich die Situation in Ihren Strukturen in Bezug auf Dirigierende und Orchesterleitende dar?
Entlang dieser Fragestellungen durchliefen die Teilnehmenden während der Zukunftswerkstatt vier Phasen: In der ersten Phase wurden Erfahrungen und Feedback gesammelt und ohne Wertung notiert. Aus dieser Sammlung heraus wurden die verschiedenen Herausforderungen, vor denen Vereine stehen, in der zweiten Phase diskutiert und in einer konkrete Problemdefinition zusammengefasst. Ziel dabei war es, möglichst präzise, den Kontext des DHV beachtende, Problemanalysen zu treffen. Diese wurden gemeinsam mit allen Teilnehmenden ausgewertet und in die dritte Phase, die sogenannte Utopiephase, übertragen: Nachdem die Probleme und Herausforderungen definiert waren, ging es nun darum, frei heraus über Strukturen und Bedingungen nachzudenken, in denen alles möglich wäre – eine perfekte Welt sozusagen. Dadurch, dass Ideen frei gesponnen und nicht direkt einer Bewertung unterzogen wurden, konnte außerhalb bekannter Muster gedacht werden, um so auf ganz neue Möglichkeiten zu kommen. In der vierten und letzten Phase war es dann die Aufgabe, diese Ideen wieder in die Realität zu übertragen: Was können wir im Verband und den Vereinen konkret verändern und was braucht es dafür? Die Teilnehmenden erarbeiteten eine Vielzahl an Lösungsansätzen, die im Folgenden separat vorgestellt werden. Das Ziel, alle Teilnehmenden einzubinden, stärkte auch deren Identifikation mit dem Verband, wie die Rückmeldungen zeigten. Im Rahmen der Zukunftswerkstatt wurden unter anderem folgende Themenbereiche aufgegriffen: Entwickeln von Ideen, um mehr Mitglieder in die Vereinsorganisation einzubinden, Aufgabenverteilung im Verein, um die festgefahrenen Strukturen aufzubrechen, Menschen für das Ensemble zu begeistern und neue Mitspieler*innen zu gewinnen, Gemeinschaft des Ensembles selbst stärken, Gruppenzugehörigkeit und die Kommunikation über Werte und somit vor allem auch Reflexion über das, was neben dem Musizieren noch als Antrieb gilt: nicht nur Wille zum Engagement, sondern Schnittmenge von Werten, die zur Stärkung des Vereins führen und von außen wahrgenommen werden können.
Ergebnisse der Zukunftswerkstatt
Über 80 Flipchartpapiere hatten sich bis zum Samstagabend angesammelt, nachdem die Teilnehmenden den gesamten Tag über intensiv zu den zuvor bereits erwähnten vier zentralen Herausforderungen gearbeitet haben. Einen Teil der Lösungsansätze sehen Sie, den jeweiligen Themenfeldern zugeordnet und zusammengefasst, hier:
1. Ansätze zur Verbesserung der Strukturen, um neue Mitglieder zu gewinnen und mehr musikalische Beteiligung zu ermöglichen:
Grundsätzlich ist eine erfolgreiche Mitgliedergewinnung kein Selbstläufer; es braucht viel Zeit und Ausdauer, kreative Ideen und gute Netzwerke, um die positiven Aspekte einer Mitgliedschaft zu kommunizieren. Herausforderungen sind dabei vor allem sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie der demografische Wandel und sich verstärkende Land-Stadt-Wanderungen. Hinzu kommt eine immer geringere Wertschätzung von ehrenamtlichem Engagement, bei gleichzeitigem Wettbewerb um Mitglieder mit anderen Akteur*innen. Um neue Mitglieder zu gewinnen und Teilhabe zu schaffen, muss eine Verantwortungsübernahme den Fähigkeiten der Mitglieder entsprechend ermöglicht werden, da dies für die Mitarbeit im Verein motiviert. Ebenso sollte, bspw. über eine transparente und wertschätzende Kommunikationskultur, eine Identifikation mit dem Verein geschaffen werden.
Weitere Ansätze waren bspw. die Förderung von günstigen Leihinstrumenten, sowie spezifische Angebotsformate für Wiedereinsteigende, Senior*innen, »Spätzünder*innen« zu entwickeln und ein ganzheitliches Ausbildungsprogramm und Angebote für alle Mitglieder anzubieten. Auch die Bedeutung von Kooperationen mit anderen Vereinen und Bildungsträgern wurde klar herausgestellt, ebenso wie die Funktion einer guten und zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit.
2. Ansätze zur Verbesserung der Voraussetzungen, damit Menschen sich engagieren und das Vereinsleben mitgestalten:
Grundsätzlich wurde auch hier festgestellt, dass viele konkurrierende Angebote und häufige Wohnortwechsel, bspw. nach Ende der schulischen Ausbildung, große Herausforderungen sind. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft, Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen, gesunken ist und gestiegene bürokratische Hürden vor Vorstandstätigkeiten abschrecken. Dies wird durch eine teilweise fehlende Bereitschaft von Alt-Vorständen, Verantwortung abzugeben, weiter verstärkt. Es besteht zwar von Seiten der Vereinsmitglieder zwar oft die Bereitschaft, kleinere Aufgaben zu übernehmen, jedoch keine langfristige Verantwortung für Aufgabenbereiche, sodass es sich als schwierig gestaltet, Menschen in das Vereinsleben zu integrieren und langfristig zu halten.
Um diese Bereitschaft zu intensivieren, braucht es eine wertschätzende Kommunikation, die denjenigen, die Aufgaben übernehmen, Lob und Vertrauen ausspricht, um sie zu motivieren. Ebenso sind regelmäßige Absprachen/Infos notwending, um mit einer transparenten Kommunikation Mitglieder ihre Rolle im Verein finden lassen zu können.
Die Arbeitsstrukturen innerhalb des Vereins müssen modernisiert werden, bspw. durch Sammlung der Aufgabengebiete und deren Aufteilung in kleinere überschaubare Aufgabenpakete, für die gezielte Personen angesprochen werden.
3. Impulse zur Veränderung der Strukturen, um den Bedarf an Lehrkräften zu decken:
Das deutliche Ergebnis war, dass der Bedarf an Lehrkräften nicht gedeckt ist. Dies wurde unter anderem durch eine fehlende Vereinsbindung der Lehrkräfte, eine unzureichende Bezahlung und schwindenden, bzw. nicht ausreichenden Ausbildungsmöglichkeiten begründet. Daher bedarf es für die Zukunft weiterer Diskussion darüber, welche fachlichen Qualifikationen eine Lehrkraft für der Amateurmusik mitbringen muss und welche Ausbildungsformen ausreichend sind. Dies kann dazu führen, Lehrkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationsstufen besser einzubinden. Ebenso soll die Förderung von Vereinsmitgliedern als potentielle Lehrkräfte stärker in den Blick genommen werden: Vorhandene Lehrkräfte können ihre Kompetenzen weitergeben und Mitglieder stärker eingebunden werden. Auch Kooperationen mit Musikschulen oder anderen Vereinen können eine Strategie sein.
4. Ideen, um mehr Dirigierende und Orchesterleitende für die Amateurmusik zu gewinnen:
Auch bei den Dirigierenden ist bereits ein Mangel festzustellen. Die Schwierigkeit, diese angemessen zu finanzieren ähnelt der Situation bei den Lehrkräften. So zeigte sich, dass bisher keine strukturierte Nachfolgeplanung betrieben und diese durch eine schwindende Basis und Herausforderungen des demografischen Wandels zusätzlich erschwert wird. Hier kann Mitgliedergewinnung und -förderung strategisch gedacht werden, um gleichzeitig Dirigierende heranzuziehen. Ein weiterer Lösungsansatz war, die Ausbildung flächendeckend und einheitlich anzubieten und Ausbildungskonzepte zu überarbeiten. Ebenso wäre eine Plattform denkbar, die über ein »Suche&Biete« Dirigierende und Vereine leichter zusammenführt; hier bieten sich wiederum Kooperationen mit anderen Vereinen/Musikschulen auch anderer Sparten an. Die Vereine benötigen dazu eine Offenheit, auch um durch Probe-Dirigieren Interesse zu wecken.
Mit der Bearbeitung und schrittweisen Umsetzung dieser Ergebnisse kann der DHV-Kongress einen wichtigen Schritt zur Sicherung der Amateurmusik- und Vereinsstrukturen leisten. Die gewonnenen Erkenntnisse werden den Verbandsmitgliedern bei ihren Ehrenämtern helfen, aber auch der gesamten Amateurmusik- und Vereinsszene zugänglich gemacht werden, um Hilfestellungen zur Bearbeitung der Herausforderungen zu geben.
Berichte vom Kongress
Sabine Kölz – DHV-Mitarbeiterin im Kompetenznetzwerk »Neustart Amateurmusik«, Dozentin für das Impuls-Seminar »Grundlagen und Bedürfnisse für das Musizieren in unterschiedlichen Generationen«
Der DHV-Kongress war für mich ein voller Erfolg. Ich konnte ein tolles und ergiebiges Miteinander und viel Bereitschaft zur Motivation beobachten. In den Arbeitsgruppen wurde intensiv diskutiert, denn viele waren bereit, sich und ihre Erfahrung einzubringen – sowohl, um neue Impulse mitzunehmen, als auch, um anderen bei ihren Fragen und Problemen zur Verfügung zu stehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Ich habe eine große Leidenschaft für unser Instrument und unseren Verband wahrgenommen. Es liegt vielen Menschen am Herzen, dass Konzepte und Lösungen erarbeitet werden, mit deren Hilfe sich die Akkordeon- und Mundharmonika-Szene weiterentwickeln und zukunftsfähig gemacht werden kann. In meinem Impuls-Seminar konnte ich die Teilnehmenden ermutigen, sich mit möglichen Konzepten auseinander zu setzen, ein passendes herauszusuchen und es »einfach zu versuchen«. Denn ich glaube, dass es überall interessierte Musizierende gibt – man muss sich aber auf den Weg machen und sie finden. Das erfordert Ideen, Engagement und einen »langen Atem«. Aber ich bin überzeugt, dass es möglich ist!
Dafür braucht es genau diese Menschen, die mit viel Energie, Kraft und guten Ideen voran gehen, die ansprechbar sind, die mitarbeiten wollen. Ich hoffe, dass viele diesen Spirit mitgenommen haben: dass man dabei sein muss, wenn man etwas verändern möchte! Nur gemeinsam können wir die Zukunft unserer Szene gestalten. Lasst es uns einfach tun!
Jutta Mettig – Betriebswirtin, Trainerin und Business Coach, Dozentin für das Impuls-Seminar »Vereinsimage und Zielgruppendefinition als Schlüssel zur Erreichung neuer Mitglieder«
Im Rahmen des DHV-Kongresses haben wir im Workshop in rund 60 Minuten über die Attraktivität des Orchesters/Vereins nach innen und nach außen gesprochen und Maßnahmen zur Stärkung der attraktiven Wahrnehmung entwickelt. Zudem ist es immens wichtig, eine klare Vision als Verein zu haben, um damit künftig neue Musikerinnen und Musiker zu gewinnen. Diese und weitere Themen wurden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und interaktiv viele Beispiele herausgearbeitet, die zukunftsorientiert sind und auch welche, die dem alten Muster i.S.v. »Das haben wir schon immer so gemacht.« entsprachen. Alle Teilnehmenden waren sehr interessiert und hätten gerne noch mehr dazu erfahren.
Spannend fand ich, wie viele sehr interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer in meinem Workshop waren und mit welcher Begeisterung wir gemeinsam diese 60 Minuten gefüllt haben. Ich habe das Gefühl, dass viele Vereine erst jetzt erkennen, dass sie etwas verändern müssen – daher wird es auch noch lange ein Thema in der Amateurmusik bleiben. Dennoch nehme ich auch mit, dass sich immer noch viele Vorstandschaften nicht trauen, den Weg der Veränderung zu gehen, z. T. aus der Sorge, die bisherigen Musiker*innen zu verlieren. Das erlebe ich seit Jahren in jeder Sparte der Amateurmusik, in der ich mit Workshops, Strategietagen, Impulsvorträgen unterwegs bin. Es gibt viele verschiedene Ansatzpunkte für eine Begleitung und Beratung, die den Vereinen konkrete Hilfestellungen gibt. Jedem Orchester, das sich auf diese Reise begibt, empfehle ich eine gewisse moderierte Begleitung. Zuerst sollte eine Vision/Ziele entwickelt werden: »Wer sind wir z. B. in fünf oder zehn Jahren?« Danach müssen konkrete Maßnahmen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden, die in der Umsetzung münden, damit das Ziel erreicht wird. Und dann folgt mein oft verwendeter Slogan: »Machen ist wie Planen, nur krasser! Wichtig dabei ist, keine Angst vor Fehlern zu haben und vor allem die Einstellung im Verein etablieren: »Wir alle sind der Verein und können nur gemeinsam die Zukunft gestalten!« Dabei kann sich jeder Verein auch Unterstützung holen – in Form einer externen Moderation oder Beratung, denn damit werden viele Punkte einfach klarer sowie konkreter und als externe Moderatorin kann ich z. B. Dinge ansprechen und hinterfragen, die sonst ein Tabu-Thema sind. Der DHV-Kongress hat eine große Vielfalt an Möglichkeiten zum Austausch und Netzwerken gegeben, neue Impulse zu erhalten und Bestehendes in Frage zu stellen. Ich finde eine solche Veranstaltung immer einen großen Gewinn, egal ob als Teilnehmerin, Organisatorin oder auch als Dozentin, denn es ist immer auch gleichzeitig ein »über den Tellerrand« hinaus Blick.
Hanna Becker – Saarländischer Akkordeonverband e.V., Vorstandsmitglied im Akkordeonverein Hüttersdorf 63 e.V.
Während des Wochenendes wurde in einem straffen Zeitplan viel erarbeitet und am Ende des Tages konnte man einige Köpfe rauchen sehen. Natürlich wurde aber auch viel gelacht, gute Gespräche geführt und das schöne Wetter genossen. Schon bei den Gruppenarbeiten am Samstag in der »Zukunftswerkstatt« stellte sich schnell heraus, dass vielerorts gleiche Herausforderungen in der Vereins- und Orchesterarbeit bestehen. Aber auch, dass es viele Gleichgesinnte gibt, die motiviert sind, etwas zu bewegen und mit Spaß und Herzblut dabei sind. Mich hat überrascht, wie offen alle Teilnehmenden gegenüber den neuen Erarbeitungsmethoden waren und dass verschiedene Gruppen bei den gleichen Fragestellungen ähnliche Ergebnisse und Lösungsvorschläge erarbeiten konnten. Am Sonntag konnten durch Impuls-Seminare viele neue Eindrücke gewonnen werden. Ich konnte bspw. einiges dazu lernen, wie man Geflüchtete in die Vereinsarbeit einbinden kann, dass hier oft der Weg das Ziel ist und es vor allem um das gemeinsame Musizieren geht. Oder auch, wie Konzertformate »neu gedacht« werden können – dass man einfach mal große Ideen haben darf und auch aus etwas scheinbar Verrücktem eine gute Konzertidee entstehen kann.
Aus dem DHV-Kongress konnte ich viele neue Ideen und Impulse mitnehmen, vor allem, dass man offen für Neues bleiben und nicht (immer) in alten Strukturen verharren sollte. Man muss Ideen auch umsetzen und nicht nur haben. Hier würde ich z. B. Orchestern mit wenigen Mitspielenden empfehlen, sich mit anderen Vereinen zusammenzuschließen und gemeinsam zu musizieren. Natürlich ist das eine Herausforderung – neue Mitspielende, neue Dirigierende … aber: wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Mich würde es freuen, wenn der DHV-Kongress in den nächsten Jahren wieder stattfände, denn es gibt sicher noch viele weitere Fragestellungen und Ideen, die diskutiert werden können. Außerdem wäre es natürlich schön zu erfahren, wie die erarbeiteten Ideen und Lösungsvorschläge aktiv in den Orchestern und Vereinen umgesetzt werden konnten.
Theresa Demandt – Stellvertr. Geschäftsführerin des Bundesmusikverband Chor & Orchester (BMCO) Dozentin für das Impuls-Seminar: »Passende Fördermittel finden und erfolgreich beantragen«
Wir haben uns im Seminar gemeinsam die konkreten und aktuellen Fördermöglichkeiten der öffentlichen Hand angeschaut und dabei die drei Ebenen der Kommunal-, Landes- und Bundesebene ins Auge gefasst. Wichtig war hier, auf die zahlreichen Fördermöglichkeiten aufmerksam zu machen und in die Details der Förderrichtlinien einzusteigen, denn oft wissen die Vereine nicht von den Programmen oder es fehlt an Mut, aber auch die zeitlichen Kapazitäten im Ehrenamt für eine Antragstellung und zuvor für die Abstimmung einer Projektidee im Verein. Dass sich eine Antragstellung nicht nur finanziell lohnt, sondern durch ein neues Projekt Antrieb, neue Impulse, Motivation und neue Beteiligung der Musiker*innen hervorgebracht wird, berichten viele geförderte Antragstellende aus unseren BMCO-Förderprogrammen. Sind die Fördermittel zum Beispiel auf frag-amu.de oder auf dem Portal der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt gefunden, muss die Idee zu Papier gebracht werden. Hier lohnt sich immer eine telefonische Beratung beim Förderer, denn sowohl die thematischen Überschriften des Programms, die Bewertungskriterien der Jury, der konkrete Ablauf des Programms als auch detailliertere Tipps und Hilfestellungen helfen letztendlich beim Schreiben des Konzepts und beim Kalkulieren für den Finanzplan. Und natürlich für eine erfolgreiche Auswahl des Projekts durch die Jury!
Für mich war der Kongress ein Rundum-Einblick in alle aktiven Ebenen und deren Herausforderungen, aber auch Stärken der Harmonika-Szene und Amateurmusik. Besonders war, dass nicht nur Verbandsvertreter*innen an einem Tisch diskutierten, sondern basisdemokratisch auch die Musizierenden, Dirigierenden und Lehrkräfte dabei waren, um alle Perspektiven einzubringen und damit die Themenfelder vollständig und umfassend machten. Ich habe an diesem Wochenende nicht nur erlebt, wie die Szene tickt, wie sie denkt und wie viel Leidenschaft und Engagement in ihr schlummert, sondern sehr konkret die aktuellen Herausforderungen und Fragen der Szene erlebt – und ja: es gibt viel zu tun, aber es ist in den letzten Jahren auch schon viel passiert, über das gesprochen werden konnte. Für uns als BMCO ist es wichtig, diese Perspektiven aller Ebenen live miterlebt und gehört zu haben, damit auch unser Wirken für die großen Themen im politischen Raum auf die Bedarfe der Amateurmusik abgestimmt ist und wir am Puls der Zeit bleiben. Dieser Abgleich zwischen Basis und Dachverband und diese enge Kommunikation ist für unsere Arbeit essentiell und darf nie aus den Augen verloren werden.
Ich habe den Kongress daher als ein sehr motivierendes Event wahrgenommen, dass einem Verband immer wieder das Selbstbild, das Selbstverständnis, die gegenseitigen Erwartungen und die aktuellen Herausforderungen sowie bereits Geschafftes vor Augen führt. Durch dieses Format ist ein komprimierter und einzigartiger Austausch zwischen allen beteiligten Ebenen möglich, bei dem sich auch alle aktiv einbringen können und gehört werden. Für den Verband ist das ebenso ein Reinhören in die Szene, das es für die tägliche Arbeit braucht. Dieser Kongress ist jedem Verband zu empfehlen.
Und jetzt los!
Auch wenn die Organisation des DHV-Kongresses bereits viel Arbeit im Vorfeld war – die strukturelle und inhaltliche Weiterarbeit beginnt jetzt erst richtig und wird den Verband lange begleiten. Daher gab es bereits am 23. Mai 2023 eine Sondersitzung des DHV-Präsidiums, bei der die Ergebnisse gesichtet wurden und über das Vorgehen zur Weiterentwicklung der Lösungsansätze aus der Zukunftswerkstatt beraten wurde. Das Präsidium wird sich bei der kommenden Sitzung im Juli ausführlich der Auswertung der Themen und Erkenntnisse widmen, Schnittmengen analysieren und priorisieren. Das Gremium wird dann auch abwägen, ob weitere Arbeitsphasen oder ggfs. Arbeitsgruppen notwendig sind. Wir werden über die Ergebnisse berichten.
Jedoch nicht nur der Verband, auch jeder Verein kann direkt aktiv werden und Herausforderungen angehen. Am wichtigsten ist es dabei, als Verein aus sich heraus eine Erkenntnis und Bereitschaft zu entwickeln, wie auf Veränderungen passend reagiert werden kann. Denn viele Vereine der Amateurmusik befinden sich in Veränderungsprozessen. Um diese anzugehen, braucht es nicht zwingenderweise Unterstützung von außen – aus dem Potential, das die Vereinsmitglieder mitbringen, lässt sich, wie der Kongress im Besonderen gezeigt hat, bereits viel bewegen. Um dies zu ermöglichen, hat das Kompetenznetzwerk »Neustart Amateurmusik« unter dem Titel »Zukunft.Musik.Gestalten« Impulse und Leitfäden für Vereine und Ensembles zusammengestellt, um wichtige und notwendige Veränderungen angehen zu können, neue Strukturen zu etablieren und den eigenen Verein bzw. das eigene Ensemble weiterzuentwickeln. Nutzen Sie diese umfangreiche und kostenfreie Publikation, um als Verein zukunftsfähig zu bleiben oder zu werden. Sollten Sie ergänzende Beratung und Unterstützung durch Expert*innen wünschen, können Sie auf die begleitende Sammlung an Themen und Dozent*innen zurückgreifen, in der Sie zu insgesamt zehn Themenfeldern rund um das Vereinsleben passende Fachleute finden, die bei Ihnen ein Seminar/Vortrag/Workshop o. ä. durchführen können. https://frag-amu.de/materialien/
Neben der vorgestellten Handreichungen »Zukunft.Musik.Gestalten«, stellt das Infoportal frag-amu.de – das Infoportal der Amateurmusik – kostenfrei viele verschiedene Angebote in den Bereichen Wissen, Praxis und Beratung zur Verfügung, um die Ehrenamtlichen zu entlasten. Die Webseite richtet sich an alle Musizierenden und Ensembles, sowie Verbands- und Vereinsverantwortliche.
Daneben bietet das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) eine umfangreiche Online-Kursdatenbank, in der Verbände, Akademien und Privatpersonen ihre Angebote und Kurse selbst eintragen können. Die miz-Landkarte deckt dadurch Angebote aus dem gesamten Bundesgebiet ab. Hier können Sie anhand der Suchfunktion unter »Zielgruppe« gezielt nach Angeboten für Amateurmusiker*innen recherchieren: https://miz.org/de/kurse
Schauen Sie sich also um und wagen Sie Neues – viel Freude dabei!