Schaut man von außen auf das Treiben in einem Amateurmusikverein, so wird schnell deutlich, dass es sich hier nicht nur um ein musikalisches, sondern auch um ein soziales Geschehen handelt: Ein Verein ist ein sehr vielfältiges soziales Gefüge, verbunden durch die geteilte Freude am Musizieren und das Interesse an der Gemeinschaft.
Damit diese Gemeinschaft sich jedoch nachhaltig entwickeln kann, bedarf es einiger Rahmenbedingungen. Denn auch wenn das gemeinsame Musizieren bereits eine starke Verbindung schafft, gibt es in vielen Bereichen des Vereinslebens auch Unterschiede. Diese können hierarchisch begründet sein, aber auch in den Eigenschaften der Mitglieder, z. B. dem Alter und Geschlecht, dem sozialen und kulturellen Hintergrund, dem ökonomischen Status.
Damit allen Mitgliedern ein gleichwertiger Platz zuteil wird, braucht es gute Organisationsstrukturen. Nur so kann man einander mit den jeweiligen Eigenschaften wahrnehmen und aufeinander eingehen. Dabei sind drei Ebenen von besonderer Bedeutung, welche im Folgenden entlang von Impulsen und Methodenvorschlägen dargestellt werden: Kommunikation, Partizipation und Prävention.
1. Kommunikation
Die Basis bildet, wie in allen sozialen Beziehungen, eine wertschätzende Kommunikation. Alle Mitglieder werden dabei als eigenständige Personen wahrgenommen, unterschiedliche Meinungen werden zugelassen und genutzt. Die Ensemblearbeit kann nur gelingen, wenn miteinander auf allen Ebenen offen und auf Augenhöhe kommuniziert wird.
Alle Vereinsmitglieder sollten zudem gleiche Ziele haben; dafür bedarf es Klarheit darüber, welche Zielsetzung man als Verein verfolgt.
Dies ist deshalb besonders wichtig, weil jedes Mitglied mitunter eigene Ansichten über (mögliche) Ziele des Vereins hat, oder aber vorhandene Ziele nicht klar kommuniziert werden. In beiden Fällen können das Vereinsleben und die Entwicklung des Vereins gehemmt werden.
Für Vereine bietet es sich an, einen oder mehrere Klausurtage anzuberaumen, um gemeinsam die Ausrichtung des Vereins zu diskutieren und zu erarbeiten. Bestenfalls wird dies durch eine externe Person moderiert und so gestaltet, dass alle Mitglieder zu Wort kommen können – und nicht nur die Personen, die schon viel im Verein zu sagen haben.
Weiterer Gelingensfaktor ist ein beständiger Informationsfluss: Durch regelmäßige Information werden die Mitglieder stärker eingebunden, wodurch die Identifikation mit dem Verein intensiviert werden kann. Dass alle in die Entwicklung des Vereins eingebunden werden, steigert das Vertrauen ebenso wie die Motivation, sich selbst im Verein zu engagieren.
Auch das Etablieren regelmäßiger Abstimmungs- und Feedbackrunden ist ein gutes Werkzeug, um alle Vereinsmitglieder mitzunehmen. Um Diskussionen effizient zu führen und zu einem Resultat zu kommen, kann oftmals eine kleine Abstimmung für Klarheit sorgen. Selbst dann, wenn sie nur ein kurzes Meinungsbild spiegelt, gibt sie einerseits Orientierung und stellt andererseits die Gesamteinschätzung der Vereinsmitglieder gebündelt dar.
Auf Basis dieser Faktoren für eine gelingende interne Kommunikation kann sich auch wesentlich schneller eine gute externe Kommunikation entwickeln, wodurch eine positive Außendarstellung ausgebaut werden kann.
Und noch ein weiterer Gedanke kann helfen, die Kommunikation im eigenen Verein zu verbessern: Arbeit an wertschätzender Kommunikation auf Augenhöhe ist immer ein fortlaufender Prozess, der nicht nach kurzer Zeit abgearbeitet ist und dann nicht mehr beachtet werden muss. Denn das Miteinandersprechen, das Treffen und Analysieren von Entscheidungen sowie das Abwägen sind selbst genau das – Prozesse. Die vereinsinterne Kommunikation zu optimieren, kann daher ein wesentliches Hilfsmittel sein, um Mitglieder zu binden, ein respektvolles Miteinander herzustellen und vereinsrelevante Ziele besser zu erreichen.
Abschließend fünf gute Gründe für eine funktionierende Vereinskommunikation:
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- Sie dient dem Gemeinschaftsgefühl und einem positiven Vereinsklima.
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- Sie hilft, organisatorische Abläufe zu verbessern.
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- Sie fördert Transparenz und Vertrauen.
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- Sie kann Ängste und Unsicherheiten bei Veränderungen abbauen.
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- Sie steigert die Motivation sowie Identifikation mit dem Verein.

Wer mit diesen neue Impulsen direkt loslegen möchte findet bei der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg Vorpommern (www.ehrenamtsstiftung-mv.de) ein umfangreiches Handbuch zur Organisationsentwicklung, bei dem vor allem der Baustein 5 »Interne Kommunikation und Beziehungen« wertvolles Hintergrundwissen und viele praktische Methoden zur direkten Umsetzung liefert.
2. Partizipation
»Die Idee von Partizipation ist ein bisschen wie Spinat essen; niemand hat etwas dagegen, weil es im Prinzip gut für einen ist.« (Sherry Anstein, 1969)
Aufbauend darauf, dass gute Kommunikationsstrukturen unersetzbar für ein gelingendes Vereinsleben und motivierte Mitglieder sind, stellt sich die Frage, wie engagierte Ensemblemitglieder ihre eigenen Ideen einbringen können. Obwohl Partizipation, wie das vorangestellte Zitat zeigt, im Grunde von allen gewollt ist, bedarf es dennoch einer Konkretisierung der Partizipationsformen.
Partizipation ist durch Entscheidungsmacht und Teilhabe charakterisiert – je mehr Einfluss auf einen Entscheidungsprozess man also einnimmt, umso größer ist die eigene Partizipation. Dafür kommen im Vereinsleben verschiedene Bereichen infrage; allen gleich ist jedoch, dass es immer um ein Mitreden, Mitmachen, Mitbestimmen geht.
Partizipation kann dabei auch als ein Erfahrungs- und Lernprozess verstanden werden – abhängig vom Thema, den beteiligten Personen und dem eigenen Bezug ergeben sich immer wieder neue Konstellationen, innerhalb derer man sich orientieren muss.
In der Partizipationsforschung gibt es unterschiedliche Definitionen von Partizipation; meist liegen ihnen Stufenmodelle zugrunde, die sich am Grad der Mitsprache von Beteiligten und der Entscheidungsstruktur von Mitbestimmung orientieren.
Das oben abgebildete Stufenmodell zeigt, wie unterschiedliche partizipative Formate Prozesse einer (aktiven) Teilhabe ermöglichen und Mitgestaltung unterstützen. Vorstufen der Partizipation sind (zumeist) die Basis, damit Mitbestimmung und Co-Kreation ermöglicht werden. Höchste Stufe bilden stets Selbstorganisation und eigenverantwortliches Handeln.
Wie Partizipation in der Vereinspraxis realisiert wird, kann sehr unterschiedlich sein – und muss nicht per se ein aktives Mitmachen aller Beteiligten bedeuten.
Partizipation muss gelebt und gelernt werden. Denn Verantwortung zu übernehmen, zu teilen oder gar Verantwortung ganz abzugeben, ist nicht immer leicht.
Der Grundsatz aller Arbeit ist dabei: Partizipation ist freiwillig! Einige möchten gern aktiv etwas umsetzen, andere sind lieber im Hintergrund und bringen Ideen ein. Es ist also wichtig, mit allen Mitgliedern zu reden, offen zu sein und so zu erfahren, was die jeweiligen Personen wollen – um darauf dann gemeinsam aufzubauen.
Wie Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen funktionieren kann, zeigt die Broschüre »Partizipation: Mein Part zählt« sehr gut (siehe Kasten auf nächster Seite).
Für einen zukunftsfähigen Verein ist eine verstärkte Einbindung von Kindern und Jugendlichen von zentraler Bedeutung. Junge Menschen zehren besonders davon, schon früh in partizipativen Formaten eingebunden zu sein und im eigenen Tun Selbstwirksamkeit erleben zu können. Indem junge Menschen bereits früh lernen, ihr Lebensumfeld mitzugestalten, werden sie dazu befähigt, eine aktive Rolle in der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft und derjenigen der Gesellschaft einzunehmen.
Da jedoch die Bedürfnisse und Interessen von jungen Menschen sich mitunter stark von denen Erwachsener unterscheiden, lohnt es sich, mit spezifischen Methoden für diese Zielgruppe zu arbeiten. Dabei kann ggf. der Leitfaden »Wir reden mit!« helfen (siehe Kasten rechts).
3.Prävention
Anschließend an die Betrachtung von Kommunikation und Partizipation ist noch ein weiterer Aspekt zu nennen: Eine wertschätzende Kommunikation und Partizipationsformate haben zum Ziel, allen eine Teilhabe zu ermöglichen; dennoch bleiben vielen Menschen diese Möglichkeiten verschlossen. Daher ist es zwingend notwendig, verschiedene Lebensrealitäten in der Vereinsarbeit mitzudenken und dabei vor allem auch Menschen, die tagtäglich von Diskriminierung und Rassismus betroffen sind, einen sicheren Raum zu bieten. Dafür bedarf es einer rassismuskritischen Betrachtung der eigenen Arbeit und des Auftritts: Wie kommunizieren wir nach außen? Verhalten wir uns inklusiv? Haben wir die Bereitschaft, uns mit – oft auch unbewussten – rassistischen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen?
Ein rassismuskritischer Veränderungsprozess schaut dabei auf die Strukturen des Vereins. Er hat zum Ziel, die Partizipation von Menschen zu erhöhen, die von Rassismus betroffen sind und migrantische Perspektiven und Erfahrungen in die Vereinsarbeit einbringen.
2021 lebten, laut Statistischem Bundesamt, in Deutschland rund 22,3 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte – das entspricht 27,2 Prozent der Bevölkerung.
Als Musikverein in einer Migrationsgesellschaft ist es daher unerlässlich, insbesondere im Hinblick auf junge Mitglieder, ein diskriminierungssensibles Umfeld zu schaffen und sich um eine Rassismusprävention zu bemühen. Ein von Offenheit und Toleranz geprägtes Vereinsleben dient dabei allen Mitgliedern.
»Der einzige Weg sich von Rassismus zu befreien, ist diesen zu verlernen«, schreiben die Autorin Özlem Topuz und der Autor Kerem Atasever in der Einleitung des Weiterbildungsmoduls »Rassismussensible Jugendverbandsarbeit« (siehe Kasten oben). Dieses bietet eine Vielzahl an Impulsen und Erläuterungen, um in der Vereinsarbeit Bedingungen zu schaffen, mit denen auch Menschen nichtdeutscher Herkunft und/oder Menschen mit Migrationsgeschichte erreicht werden.
Für diejenigen, die für ihre musikalische Praxis nach Formen des inklusiven und diversen Musizierens suchen, sei noch das Konzept der Community Music erwähnt, zu dem das deutsche musikinformations zentrum (miz) unter www.miz.org/de/beitraege/community-music eine ausführliche Erläuterung zur Verfügung stellt. Daraus:
»(…) bei Community Music (geht es) um aktives Musizieren in Gruppen, das auf Grundwerten wie kultureller Demokratie, Inklusion und Empowerment der Einzelnen und der Gruppe beruht. Lernen in der Musik (‚musikalisches Handwerkszeug’), die sozialen Prozesse der Gruppe und das angestrebte (musikalische, pädagogische und soziale) Ergebnis stehen gleichberechtigt nebeneinander.
Arbeitsweisen
Community Music ist gekennzeichnet durch offene Musizierprozesse, in denen mit den Teilnehmenden gemeinsam und auf freiwilliger Basis verhandelt wird, welche Musik gemacht wird; der Community Musician plant also nicht schon im Vorfeld den genauen Ablauf und die musikalischen Inhalte und Ziele. Idealerweise entstehen diese durch demokratische Prozesse und durch Partizipation in der Entscheidungsfindung.
Die Inhalte bauen auf den Interessen der Gruppen und Communities auf und basieren auf der Idee der kulturellen Demokratie: dem Glauben, dass alle Menschen das Recht und die Fähigkeiten zur freien und gleichberechtigten Teilnahme am kulturellen Leben der Gemeinschaft haben, der Freude an der Kunst, dem Schaffen und Veröffentlichen eigener künstlerischer Arbeit. Bei Community Music geht es um mehr als den reinen Zugang zu Musik oder das Vermitteln von musikalischen Inhalten.«
Wir hoffen sehr, dass wir Ihnen Impulse sowie neue Ideen und Perspektiven mit in Ihre Vereinsarbeit geben können. Wenn Sie Interesse daran haben, diese mithilfe eines Coachings oder eines Workshops in Ihrem Verein konkret anzuwenden und in die Praxis umzusetzen, melden Sie sich für eine weitere Beratung gerne unter: zimmermann@dhv-ev.de. Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören!

Ob es die Rahmenbedingungen in der Musikschule oder im Verein betrifft, Entscheidungen im Ensemble oder der eigene Part im künstlerischen Schöpfungsprozess: Nur durch aktives Involviertsein wird erfüllendes Musizieren möglich. Die Broschüre »Mein Part zählt« der Bundesakademie Trossingen gibt zahlreiche Hilfestellungen für unterschiedlichen Umsetzungsfeldern und lädt dazu ein, die eigene Praxis durch neue Denkanstöße zu bereichern. Die Broschüre kann als PDF heruntergeladen oder alternativ über die Bibliothek der Bundesakademie bestellt werden.

Das Weiterbildungsmodul richtet sich an Personen, die in der Jugend- und Jugendverbandsarbeit mit Gruppen arbeiten – also Jugendleiter*innen, Teamer*innen, Trainer*innen und weitere Haupt- und Ehrenamtliche. Das Heft erläutert zunächst, was rassismussensible Jugendverbandsarbeit ist und wie sie aussehen kann. Es unterstützt bei Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema und bietet zahlreiche Übungen, Methoden, Videos, Theorien und Literatur, die die Beschäftigung mit rassismussensibler Arbeit in der Jugendgruppe unterstützen. Kostenfrei zu bestellen unter: www.ljrberlin.de/service/publikationen
Andreas Zimmermann
Andreas Zimmermann ist Soziologe und Musiker. Er produziert eigene Musik und absolviert eine berufsbegleitende Ausbildung zum Tontechniker. Vor seiner Tätigkeit für den DHV war er beruflich vor allem in der politischen Bildung aktiv, hier insbesondere in der Fortbildung von Lehrkräften. Für den DHV ist Andreas Zimmermann im Kompetenznetzwerk Neustart Amateurmusik tätig. Weitere Informationen zu Neustart Amateurmusik finden Sie unter: https://bundesmusikverband.de/neustart/kompetenznetzwerk/