Liebe Akkordeonfreundinnen und -freunde, viele von Ihnen unterrichten selbst. Dann ist Ihnen sicher mein Name vertraut: »Spiel Akkordeon« heißt das Buch, das ich vor etwa 20 Jahren schrieb und das vielen Anfängerinnen und Anfängern zum Einstieg ins Akkordeonspiel verholfen hat. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere Bücher und Lernmittel aus meiner Hand. Als Lehrer und Buchautor hatte ich immer das Bedürfnis, die Lernenden anzuregen, die Möglichkeiten musikalischer Freiheiten zu entdecken – mit Hörübungen, kleinen Akkordübungen und Improvisationsspielen schon für Anfängerinnen und Anfänger den Horizont zu erweitern, über das reine Spiel nach Noten hinaus. Ich denke, dass diese Grundhaltung mein Buch Spiel Akkordeon so erfolgreich gemacht hat; und aus dieser Grundhaltung heraus habe ich in den vergangenen Jahren weitergearbeitet. Mein Ziel: Material bereitzustellen, das den herkömmlichen Instrumentalunterricht durch neue, »ganzheitliche« Impulse bereichert.
In diesem Beitrag möchte ich versuchen, Sie für die Idee der spielerischen Gehörbildung zu begeistern.
Gehörbildung – braucht man das?
»Gehörbildung« nennen wir es, wenn geübt wird, Töne hörend zu erkennen und auf dem Instrument nachzuspielen. »Gehörbildung« – das klingt ähnlich wie »Leibesübungen«, und Gehörbildung dient oft als Material für gefürchtete Prüfungsfragen.
Warum kann diese Bildung des Gehörs nicht zum Alltag des Spielens gehören? Ist es nicht ein eigenartig abstrakter Weg, im Unterricht als Allererstes die Notenzeichen zu lehren und sie ablesen zu lassen? Die Umsetzung vom Notenzeichen zum klingenden Ton muss den Umweg über Auge und Verstand nehmen. Wer seine Töne nach Gehör kennt, kann mit viel sichererem Instinkt auf die Musik zugreifen. Mir drängt sich immer der Vergleich zum Neugeborenen auf, das seine Milch erst bekommt, wenn es gelernt hat, seinen Wunsch in Schriftsprache zu äußern. Der berühmte Geiger Yehudi Menuhin bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: »Das Spielen nach Gehör muss dem Notenlesen vorangehen, genauso wie das Sprechen und Hören einer Sprache normalerweise dem Lesen und Schreiben dieser Sprache vorangeht.« Und schon vor 170 Jahren notierte der romantische Komponist Robert Schumann in seinen »musikalischen Haus- und Lebensregeln« gleich als erste Regel: »Die Bildung des Gehörs ist das Wichtigste. Bemühe dich frühzeitig, Tonart und Ton zu erkennen. Die Glocke, die Fensterscheibe, der Kuckuck – forsche nach, welche Töne sie angeben.« Viele Schülerinnen und Schüler empfinden die Einseitigkeit ihrer Ausbildung als Mangel. »Sobald man mir das Notenblatt wegnimmt, bringe ich keinen Ton mehr heraus …!« Diese Klage höre ich immer wieder von Erwachsenen, die sich in meinem Unterricht weiterbilden wollen.
Wie ich selbst hören lernte
Schon als junger Klavierspieler habe ich nicht nur klassische Literatur gespielt, sondern mich auch mit Boogie-Woogie, Blues und Rockmusik beschäftigt. Dafür gab es damals noch kaum Noten auf dem Markt; ich hätte sie wohl auch verschmäht, denn ich besaß ja die Tonband-Mitschnitte der Meisterspieler Albert Ammons und Meade Lux Lewis. Auf Vaters UHER-Tonbandgerät wurde so oft vor- und zurückgespult, bis ich die originalen Läufe auf dem Klavier nachspielen konnte. Dies war eine Spielart der Gehörbildung, die mit viel Geräusch verbunden war, aber sehr viel Freude und Stolz vermittelte.
»Selbst finden dürfen« gibt Sicherheit
Seit ich selbst unterrichte, habe ich kleine Hörspiele in die Arbeit eingeführt – etwa fünf Minuten zu Beginn der Unterrichtsstunde als Warming-up. Das vermittle ich ganz bewusst nicht als Bestandteil der Musiktheorie, sondern als kleines Spiel: »Wir legen jetzt den Daumen auf den Ton c – unser Tonvorrat ist c d e f g – ich spiele vor, und du spielst nach!«
Natürlich ist es dabei klug, die Schwierigkeit nicht zu hoch zu halten: erst nur einzelne Intervallsprünge, dann kleine Tonketten von drei, vier, fünf Tönen … Immer wieder ist es faszinierend zu sehen, dass bereits nach wenigen solcher Sessions die Orientierung zunimmt. Wer dann nach einer Weile die erste kleine Melodie nach Gehör selbst nachspielen kann (und sei es nur Bruder Jacob oder Happy Birthday), ist stolz wie die Schneekönigin.
Rechte und linke Gehirnhälfte
Meine Erfahrung zeigt, dass alle, die sich (und sei es auch ohne Perfektion) nach ihrem Gehör orientieren können, sich auch leichter tun, notiertes Material zu verstehen und wiederzugeben. Das ist ja auch kein Wunder: Je besser ich »meine« Melodie und »meine« Töne vom Gehör her kenne, desto mehr kann ich mich beim Spielen mithilfe meines musikalischen Gedächtnisses orientieren, und ich brauche nicht mechanisch dem Notenbild zu folgen. Schließlich ist seit den Experimenten von Robert Sperry in den 1960er-Jahren bekannt, dass das Ablesen eines (Noten-)Textes überwiegend in der linken, intellektuellen Gehirnhälfte lokalisiert ist, das Hören aber zur rechten Gehirnhälfte gehört. Wer Noten liest, aber auch gut hören kann, nutzt eher das ganze Gehirn: ein Gewinn!
Keine Zeit für Spiele?
Schade – oft lässt der enge Rahmen der Unterrichtsstunde nicht die Zeit für Hör-Spiele. Könnte man nicht diese Übungen einer kleinen App überlassen? Am besten einer App, die auf dem Laptop, aber auch bequem mit dem Tablet oder unterwegs am Handy gespielt werden kann …
Die Pandemie gab mir die Gelegenheit, Zeit in die Entwicklung einer solchen App zu investieren. Als Programmierer gewann ich Volker Rettmann, den Akkordeonisten der Kultband 17 Hippies. Das Ergebnis: Die App AMADEUS ermöglicht einfaches, unkompliziertes Hörtraining. Eine Besonderheit: Das Training verläuft interaktiv – je besser die Aufgaben gelöst werden, desto schneller geht es ins höhere Level, von ersten Intervallsprüngen bis zu komplexen Melodiebögen.
Helferinnen und Helfer zum Test gesucht!
Im Kreis meiner Leserinnen und Leser hat Amadeus großen Anklang gefunden. Die »Light-Version« kann kostenfrei genutzt werden; den Zugang zur Vollversion kann man durch Kauf einer Einzellizenz erwerben. Jetzt haben wir die Einführung einer preiswerten Gruppenlizenz vorbereitet: Hier können bis zu zwölf Schülerinnen und Schüler gemeinsam den Zugang zur Vollversion nutzen. Diese Gruppenlizenz ist technisch ausgereift, aber noch kaum in der Praxis erprobt. Daher suche ich jetzt Testgruppen – d. h. Lehrerinnen und Lehrer, die interessiert sind, AMADEUS gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern zu testen.
Ist die PDF-Datei, die alle herunterladen können, verständlich genug? Sind die Zugangskärtchen praktikabel? Ist zusätzliches Infomaterial nötig, um bei den Lernenden bzw. ihren Eltern Interesse zu wecken? Das sind die Fragen, die ein breiter Praxistest klären soll.
Haben Sie nicht Lust, gemeinsam mit Ihren Schülerinnen und Schülern das Hör-Erlebnis auszuprobieren? Ich würde mich freuen, zahlreiche Gruppen bei dieser Testaktion zu begrüßen. Als kleinen Anreiz zur Teilnahme habe ich aktuell den günstigen Gruppenpreis noch einmal weiter reduziert, sodass bei zwölf Schülerinnen und Schülern die Lizenz pro Person lediglich 2,95 Euro kostet.
Unter diesem Link können Sie Amadeus ausprobieren: https://petermhaas.de/test/
Unter diesem Link können Sie die Gruppenlizenz anfordern: https://www.petermhaas.de/gruppenlizenz/
Geben Sie dabei an der Kasse den Code »AMADEUS–TESTEN-2023« an!
Wenn Sie Rückfragen oder Anregungen haben, freue ich mich, wenn Sie mir eine E-Mail schreiben: infopost@petermhaas.de
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- I have always insisted that … playing by ear must precede the reading of notes in the same way that speaking a language, or listening to it, normally precedes reading and writing it.
Peter M. Haas
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- spielt und unterrichtet Piano, Akkordeon, Bandoneon
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- ist Autor zahlreicher Musikbücher; sein Schulwerk »Spiel Akkordeon« wurde bisher 35.000+ mal verkauft
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- regelmäßige Mitarbeit im Fachblatt akkordeon magazin
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- leitet regelmäßige Gruppenworkshops mit Schwerpunkt »Groove«, »Gehörbildung«, »Improvisation«
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- stellt auf der Website www.petermhaas.de zahlreiche Ratgeber-Blogbeiträge sowie Video-Workshops bereit
Veröffentlichungen:
Spiel Akkordeon (2000; englisch 2012)
Akkordeon Spiel (2004; englisch 2012)
Akkordeon Go East (2006; englisch 2012)
Das Buch der Grooves und Duos (2016)
Akkorde auf den Tasten (2016-2021)
Jazzakkorde am Akkordeon (2017)
Akkordlehre ganz konkret Band 1 – 3 (2021)
Amadeus – der Ear Trainer (Software, 2021)