Gelebte Vielfalt macht den Verein attraktiver für neue Mitglieder und erweitert die Zielgruppe. Unterschiedliche Perspektiven und Hintergründe fördern Kreativität und Innovation, was sich positiv auf das musikalische Repertoire und die Vereinsaktivitäten auswirkt. Zudem können vielfältige Vereine von öffentlichen Förderprogrammen profitieren und sich gesellschaftlich besser vernetzen. Eine offene und wertschätzende Atmosphäre stärkt das Gemeinschaftsgefühl und motiviert zum ehrenamtlichen Engagement. Schließlich trägt Vielfalt zur Zukunftsfähigkeit des Vereins bei, da sie ihn flexibler und widerstandsfähiger gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen macht.
Tipps zur Umsetzung
Das klingt natürlich alles sehr positiv, aber wie setze ich gelebte Vielfalt nun in meinem Verein um? Um Vielfalt aktiv zu fördern, sollte ein Verein eine offene und einladende Struktur schaffen, die in Satzung oder Leitbild verankert ist. Eine klare Kommunikation und einfache Sprache helfen, Barrieren abzubauen und neue Mitglieder anzusprechen. Niedrigschwellige Angebote wie Mitgliedsbeiträge oder auch Eintrittspreise, die den sozialen/finanziellen Hintergrund berücksichtigen, kostenlose Schnupperstunden oder Leihinstrumente erleichtern den Zugang.
Kooperationen mit interkulturellen oder sozialen Initiativen bringen neue Impulse und erweitern das Netzwerk. Zudem sollten Mitglieder aktiv eingebunden und ermutigt werden, sich mit ihren Ideen und Erfahrungen einzubringen. Vielfalt muss auch in der Vorstandschaft sichtbar sein, damit sie glaubwürdig gelebt wird. Schließlich sollte der Verein eine klare Haltung gegen Diskriminierung zeigen und eine wertschätzende Kultur vorleben.
Ein wichtiger Tipp: Authentisch bleiben! Oft lohnt sich ein prüfender Blick in den eigenen Verein, wo bereits Vielfalt gelebt wird oder Anknüpfungspunkte für neue Netzwerke vorhanden sind. Wer sind Ihre Mitglieder? Welchen Hintergrund haben sie? Was machen sie neben dem Musizieren? Welche Kooperationsprojekte gab es bereits und inwiefern spricht das Repertoire vielleicht eine neue Zielgruppe an? Oft sind diese ersten Anhaltspunkte schon ein guter Einstieg für eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit.
Auf der Suche nach Inspirationen kann sich auch ein Blick auf Profi-Orchester lohnen. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz beispielsweise setzt sich intensiv mit der Bedeutung ethnischer-kultureller Diversität für ein Orchester auseinander. In einer Imagekampagne zum 100-jährigen Bestehen wurden außerdem die Musikerinnen und Musiker für eine Plakataktion an ihren Lieblingsorten und mit Bezug zu ihren Hobbies fotografiert.
Soziale Medien sind eine großartige Chance, um Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu erreichen – wenn die Inhalte divers, interaktiv, leicht zugänglich und einladend gestaltet sind. Besonders durch persönliche Geschichten, Community-Interaktion und gezielte Vernetzung kann der Verein nachhaltig wachsen und neue Mitglieder gewinnen.
Auch hierfür einige konkrete Tipps: Lassen Sie Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen (Alter, Geschlecht, Schicht, Herkunft) in den sozialen Medien ihre Geschichten erzählen (Interviews, Erfahrungsberichte von Mitgliedern etc.). Sind in Ihrem Vereinsumfeld viele Menschen mit anderen Muttersprachen aktiv, kann es sinnvoll sein, mehrsprachige Untertitel zu verwenden. Verwenden Sie inklusives Bildmaterial mit möglichst diversen Gruppen. Arbeiten Sie mit anderen (lokalen) Gruppen oder Initiativen zusammen. Und reagieren Sie schnell auf Rückfragen. Achten Sie auf Barrierefreiheit, d. h. Videos immer untertiteln sowie Bildbeschreibungen für blinde oder sehbehinderte Menschen hinzufügen.
Demokratische Werte fördern
Der Deutsche Musikrat hat sich für 2025 das Schwerpunktthema „Musik und Demokratie“ auf die Agenda gesetzt. In diesem Rahmen werden Fragen zur Verbindung von Musik und demokratischen Werten, Teilhabe und Inklusion diskutiert. Antje Valentin, Generalsekretärin im Deutschen Musikrat, findet: „Menschen, die miteinander an ihren Instrumenten oder singend musikalische Formen entstehen lassen – unabhängig, ob von Noten oder improvisierend – müssen sich aufeinander einlassen, Verabredungen treffen, non-verbal beim Musizieren kommunizieren und empathisch in Resonanz gehen.“
Dieses aufeinander Einschwingen steht laut Valentin im Gegensatz zu Polemik und Hass, die heute bei gegensätzlichen Meinungen an der Tagesordnung stehen und immer stärker werden. Sie betont deshalb die Bedeutung von Vereinen als Orte des gemeinsamen Musizierens.
Vereinsvorstände spielen eine entscheidende Rolle dabei, eine klare, demokratische Werteorientierung im Amateurmusikbereich zu fördern. Ein Verein kann ein Leitbild formulieren, das Werte wie Toleranz, Vielfalt und Mitbestimmung betont und durch eine Selbstverpflichtung für Mitglieder und Vorstände aktiv gelebt wird. Transparente Entscheidungsprozesse und regelmäßige Mitgliederbefragungen stärken die Mitbestimmung und fördern eine offene Vereinsstruktur.
Bildungsangebote wie Workshops zu Demokratie und Diversität sensibilisieren sowohl Vorstände als auch Mitglieder für gesellschaftliche Verantwortung (siehe hierzu auch den Beitrag). Viele Musikverbände bieten bereits Fortbildungen und Workshops an oder können bei der Entwicklung solcher Angebote unterstützen. Auch Volkshochschulen und Musikschulen bieten oft Kurse und Workshops an, die auf die Bedürfnisse von Vereinen zugeschnitten werden können.
Klare Haltung gegen Extremismus und Diskriminierung
Eine klare Haltung gegen Extremismus und Diskriminierung ist essenziell, einschließlich verbindlicher Regeln für den Umgang mit Konflikten. Es ist wichtig, eine Null-Toleranz-Politik gegenüber diskriminierenden, rassistischen oder extremistischen Äußerungen und Verhaltensweisen im Verein zu etablieren. Der Ausschluss aus dem Verein kann dabei eine mögliche Konsequenz sein, muss es aber nicht. Frühzeitige Intervention bei Vorfällen und Verwarnungen in Form von persönlichen Gesprächen können oft schon ausreichend sein.
Der Vorstand trägt eine besondere Verantwortung, indem er Werte wie Offenheit, Fairness und Respekt aktiv vorlebt. Kooperationen mit anderen Vereinen und Initiativen können die demokratische Ausrichtung zusätzlich stärken. Gemeinsame Projekte und öffentliche Stellungnahmen machen die Haltung des Vereins sichtbar und fördern ein breites gesellschaftliches Bewusstsein. So wird Vielfalt nicht nur als Wert benannt, sondern aktiv in das Vereinsleben integriert.
Bereicherung für das Vereinsleben und die Gemeinschaft
Vielfalt und gelebte Demokratie im Verein sind nicht nur erstrebenswerte Werte, sondern eine echte Bereicherung für das Vereinsleben. Wer sich aktiv für Offenheit, Mitbestimmung und Teilhabe einsetzt, stärkt die Gemeinschaft und macht den Verein zukunftsfähig.
Wichtig ist, dass Vielfalt nicht nur als theoretisches Ziel formuliert wird, sondern in der Vereinsstruktur, im Alltag und in der Kommunikation sichtbar wird. Letztlich entsteht gelebte Vielfalt nicht über Nacht, sondern durch kontinuierliches Engagement und bewusste Maßnahmen – doch die positiven Effekte für den Verein und die Gesellschaft sind es wert.
Über die Autorin
Cornelia Härtl studierte Germanistik (Master of Arts) in Freiburg und ist beruflich seit 2013 als Redakteurin in der Amateurmusikszene tätig, seit 2023 bei ProStimme. Als Musikerin ist sie selbst in der Szene unterwegs und spielt seit über 25 Jahren Klarinette im Musikverein.