Förderung der ganzheitlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch gezielte Nachwuchsarbeit
Spätestens seit der Langzeitstudie »Musik und ihre Wirkung« von Prof. Hans Günther Bastian ist bekannt, dass die Musikerziehung einen sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern hat. Beim Musizieren werden viele Sinne beansprucht und es kommt sowohl auf die Grob- und die Feinmotorik an. Außerdem ist eine hohe Aufmerksamkeit notwendig, und man muss bestimmte Entscheidungen in extrem kurzer Zeit treffen können. Wird nach Noten gespielt, müssen zudem viele Informationen gleichzeitig verarbeitet werden, die nicht nur die Melodie, sondern auch das Tempo, die Lautstärke und den Takt betreffen.
Schon im frühen Alter die Neugier für das Akkordeon wecken
Das Wissen um die Vorteile und deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes erkennen auch viele Eltern und Großeltern. Daher sind die Musikkurse im Vorschulalter immer sehr gut besucht. Eltern wie Kinder haben noch viel Zeit. Das ist unsere Chance, die Kinder und Eltern für unser Instrument, das Akkordeon, abzuholen und neugierig zu machen.
Hier heißt es, so oft wie möglich das Akkordeon miteinzubauen, dass die Kinder mit dem Klang des Instruments vertraut sind. Viele finden das Akkordeon auch einfach sehr spannend, mit all den Tasten, Knöpfen und Falten.
Motivation im Grundschulalter
Mit Eintritt in die Grundschule ändert sich bei den Eltern und bei den Kindern einiges. Die Eltern sind von all den Hausaufgaben und dem neuen Alltag gestresst und die Kinder zu Beginn des Schuljahres oft müde und ausgelaugt. Jetzt beginnt die Motivation der Musiklehrkraft, die nicht nur dem Kind Mut zusprechen muss, sondern auch den Eltern. Man sieht, der Beruf der Musiklehrkraft ist manchmal auch recht eng verbunden mit der eines Motivations-Coaches.
Die meisten Kinder wollen mit Eintritt in die Grundschule auch ein Instrument erlernen. Da sie das Akkordeon schon in den Kursen zuvor bewundert haben, gibt es immer einige, die den Wunsch haben, Akkordeon zu lernen.
Der Akkordeonunterricht ist, wie auch bei anderen Instrumenten, eine sehr individuelle Angelegenheit. Der Erste kämpft noch mit der richtigen Haltung des Instruments, die Zweite hat ihre Probleme mit dem Drücken und Ziehen, der Dritte hat motorische Probleme. Auf jede und jeden Einzelne*n muss die Lehrkraft eingehen, die Fähigkeiten herausfinden und mit viel Lob auch die kleinen Mängel beheben. Es ist wichtig, in den ersten Stunden sehr aufmerksam zu sein, denn hier wird der Grundstock gelegt. Mit Literaturempfehlungen halte ich mich gerne zurück, denn jede Lehrkraft sollte sich selbst ein Bild von der Anfangsliteratur machen und sich die heraussuchen, die zu ihrem bzw. seinem Arbeitsstil und zu den Schülerinnen und Schülern passt. Als Ratschlag kann ich nur mitgeben, auch selbst kreativ zu sein und mit Spielen oder kleinen Arrangements beziehungsweise Übungsstücken auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen.
Ich denke, besonders in der heutigen Zeit ist es wichtig, den Kindern die Vielfalt der Musik zu vermitteln und sie etwas zu lehren, dass sie sich beim Musizieren ausdrücken können, ohne Worte verwenden zu müssen.
Das Spiel im Orchester mit gemeinsamem Ziel
Ein großes Highlight ist natürlich das Spiel im Orchester. Die Mehrstimmigkeit, das gemeinsame Musizieren und das Wichtigste: die Gemeinschaft. Das Musizieren in einem Ensemble oder einer Gruppe fördert darüber hinaus die Teamfähigkeit. Schon sehr junge Spielerinnen und Spielern, die erst gerade mit dem Akkordeonspiel begonnen haben, können schon im Orchester musizieren. Dabei lernen sie nicht nur zusammen zu musizieren, sondern sich auch in eine Gruppe einzugliedern. Es ist in unserer Zeit, in der es scheint, Kinder und Jugendliche werden immer mehr zu Einzelkämpferinnen und -kämpfern, die in ihrer Freizeit oft alleine am Computer spielen oder arbeiten, besonders wichtig, dass sie auch das Miteinander lernen und zu schätzen wissen. Schön ist es natürlich, wenn Schülerinnen und Schülerin in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zusammenspielen. So können sie voneinander profitieren und sich gegenseitig helfen und stützen.
Besonders beliebt in meinen Kinderorchestern sind einzelne Sätze, in denen sie ihrem Instrument perkussive Geräusche entlocken dürfen beziehungsweise mit der eigenen Stimme zum Stück beitragen können. Tonansatzübungen sind im Orchester einfach ein Riesenspaß.
Natürlich benötigen auch die Kinderorchester ein Ziel, warum sie jede Woche zur Probe kommen sollen. Sei es nun ein Konzert, eine kleine Konzertreise oder ein Wettbewerb: alle Auftritte sind für Kinder und Eltern etwas Besonderes und schweißen die Gruppe zusammen.
Ganzheitliche Entwicklung durch Musik
Nun sind wir bei einem sehr wichtigen Thema: In unserem Schulsystem wird Musik stets als nebensächliches Fach behandelt, doch sehen wir in all den Studien, wie wichtig für eine ganzheitliche Entwicklung unserer Kinder genau dieses Fach ist. Da es leider nicht in der Politik erkannt zu werden scheint, ist es die Aufgabe der Eltern, Musiklehrkräfte und Vereine unseren Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, sich durch das Musizieren weiterzuentwickeln, sich zu verwirklichen. Ich denke, gerade beim Spiel im Orchester erlernen die Kinder auf spielerischer Art sich in eine Gruppe zu integrieren, die Stärken wie auch Schwächen der Mitspielenden zu akzeptieren, sich aktiv einzubringen und auch Aufgaben für die Gruppe zu übernehmen. Sind das nicht alles Aspekte, die wir unseren Kindern vermitteln wollen, damit sie hoffentlich die Welt friedlicher und stärker gestalten?
Über die Autorin
Susanne App leitet die private Musikschule in Leutkirch, Isny und Kißlegg. Sie ist Dirigentin der Kinder- und Jugendorchester Leutkirch und Isny und des Akkordeonorchesters Kißlegg.