Prof. Moritz Eggert über seine Erfahrungen als Vorsitzender der Jury
Einer der wichtigsten Termine für die zeitgenössische Akkordeonorchesterszene ist der Wolfgang Jacobi Kompositionspreis, der 2022/23 nach langer Corona-Pause zum ersten Mal wieder stattfinden konnte. Ich hatte die Ehre, das zweite Mal der Jury vorzusitzen und die Freude, mir gemeinsam mit meinen Jurykolleg*innen zahlreiche neue Kompositionen (natürlich anonym eingesandt) anschauen und diskutieren zu dürfen.
Erfreuliche Zahl an Einsendungen zeigt Wertschätzung des Instruments Akkordeon
Die Zahl der Einreichungen lag deutlich höher als beim Wettbewerb 2019, allerdings ist sicherlich noch Luft nach oben. Dennoch ist zu spüren, dass so langsam auch in den Kompositionsabteilungen unserer Ausbildungsstätten angekommen ist, dass das Akkordeon als Instrument inzwischen nicht mehr ignoriert werden kann – zu groß ist die Anzahl hervorragender Solist*innen und Ensembles, die dem Akkordeon einen immer besseren Ruf verschaffen und damit neue Kompositionen anregen.
Eine herausfordernde Aufgabe für die Jurymitglieder
Wolfgang Jacobi war ein Pionier der neuen Musik für Akkordeonorchester. Daher kam es uns in der Jury bei diesem Wettbewerb darauf an, vor allem auf die Originalität der Werke zu achten. Hierbei galt es, die schwierige Balance zu finden zwischen Machbarkeit für die Ensembles und kompositorischer Innovation. Bei einigen Werken hatten wir zum Beispiel das Gefühl, dass sie zwar sehr gut aufführbar sind, aber dem Repertoire keine neuen Impulse geben. Manche lehnten sich sogar sehr direkt an den Stil von Wolfgang Jacobi an oder zitierten seine Musik wörtlich. Solche Werke haben sicherlich ihre Daseinsberechtigung, aber wenn man Jacobi als Neuerer begreift, wünschten wir uns doch etwas mehr Bezug zur Gegenwart, um seinem Andenken würdig zu sein.
Andere Werke wiederum waren kompositorisch hochinteressant, wir vermissten aber einen gewissen Bezug zur Akkordeonorchester-Praxis und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Einstudierung. Bei den Diskussionen um diese »Grenzfälle« standen sich Praxis und Theorie bei den Jurymitgliedern gegenüber, die eine gute Mischung aus gestandenen Profis mit sowohl kompositorischer als auch musizierender Erfahrung darstellten. So war ich mehrfach sehr dankbar, Einschätzungen auch von »praktischer« Seite zu bekommen, und manches Jurymitglied war hin-und hergerissen zwischen der Bewunderung für ein eingesandtes Werk und der tatsächlichen Praxistauglichkeit.
Vier Siegerstücke für das künftige Repertoire von Akkordeonorchestern
Insgesamt waren wir sehr angetan von dem hohen Standard der Werke und die Entscheidung über das Siegerstück war alles andere als einfach. Am Ende entschieden wir uns, einen ersten, zwei zweite und einen dritten Platz zu vergeben, alle für Werke, denen wir wünschen würden, dass sie in das Akkordeonorchester-Repertoire Einzug halten.
Die Preisträgerinnen und Preisträger stammen aus Deutschland (Leon Thieme, 1. Preis, Janin Janke, 2. Preis), der Ukraine (Volodymyr Runchak, 2. Preis) und Russland (Sergey Khismatov, 3. Preis). Aufgrund der Anonymität der Partituren konnten wir diese Länderverteilung nicht vorausahnen, sie setzt aber ganz sicherlich ein kleines Zeichen des Friedens und der Verständigung in diesen alles andere als friedlichen Zeiten.
Was zukünftige Wettbewerbe angeht, so wäre es weiterhin wichtig, Informationen darüber immer weiter zu streuen und noch stärker die Werbetrommel zu rühren. Besonders wichtig fände ich auch Kompositionsworkshops mit Nachwuchskomponistinnen und -komponisten – aus Erfahrung weiß ich, dass das Komponieren für Akkordeonorchester gar nicht so leicht ist und man es als Ensemble am besten live erlebt, um die speziellen musikalischen Möglichkeiten besser zu verstehen.
In diesem Sinne: Auf die Wolfgang-Jacobi-Wettbewerbe 2023+!
Text: Moritz Eggert, Komponist, Professor für Komposition an der Musikhochschule München, Präsident des Deutschen Komponist*innenverbandes
Wir danken allen Partnern des Jacobi Kompositionspreises 2023: Familie Jacobi, DALV, Hochschule München, Hohner, Jetelina