Akkordeon 50+ – Nicht rasten, ran an die Tasten!
Unter diesem Motto startete der Akkordeonverein Brigachtal e.V. unter der Leitung von Sabine Kölz im Herbst 2011 einen Akkordeon-Kurs für Anfängerinnen und Anfänger sowie Wiedereinsteigende im Erwachsenenalter. Sabine Kölz hatte ein solches Programm für Erwachsene an der Musikschule in Trossingen bereits etabliert und somit schon einige Erfahrung in diesem Bereich gesammelt. In ihrer damaligen Funktion als Dirigentin schlug sie auch dem Akkordeonverein Brigachtal vor, Akkordeonkurse für Erwachsene anzubieten. Durch Zeitungsannoncen und Mund-zu-Mund-Propaganda wurde auf den neuen Kurs aufmerksam gemacht, zu dem sich gleich die ersten sieben Interessenten anmeldeten.
2013 übernahm Mario Nortmann die Schülerinnen und Schüler von Sabine Kölz und gründete mit diesen ein Projekt-Orchester, die PhanTasten. Von Anfang an trat das Orchester beim Jahreskonzert und den Dezemberträumen neben dem 1. Orchester, dem Jugendorchester und den AkkordiKids sowie der Mundharmonie regelmäßig auf und war somit fester Bestandteil des Vereins.
Im Mai 2014 durfte ich (als damals noch berufsbegleitend Studierende am Hohner-Konservatorium) zum ersten Mal den Kurs »Akkordeon 50+ – Nicht rasten – ran an die Tasten!« in Brigachtal durchführen. Auch in den Folgejahren gab es immer einige neue Schülerinnen und Schüer, die neugierig darauf waren, auf dem Akkordeon zu spielen. Bei uns beginnt der Kurs jeweils mit einer Schnupperphase von zehn Unterrichtseinheiten, in denen die Teilnehmenden das Instrument und die Lehrkraft kennenlernen können. Wer danach weitermachen möchte, kann entweder in einer Gruppe musizieren oder aber den Einzelunterricht wählen. Uns ist es ein besonderes Anliegen, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen und für jede und jeden die beste Lösung zu finden.
Während des Studiums am Hohner-Konservatorium in Trossingen hatte ich die Gelegenheit, den Unterricht mit Erwachsenen live mitzuerleben, da Sabine Kölz meine Dozentin in dem Fach Methodik war und wir Studierenden bei ihr hospitieren durften. Sie hat mir damals schon gezeigt, dass man mit Geduld und Einfühlungsvermögen sehr viel erreichen kann. Übrigens kann ich im Erwachsenenunterricht viele Parallelen zu mir selbst und meinem Studium ziehen, da auch ich »im fortgeschrittenen Alter« von 46 Jahren die sechsjährige berufsbegleitende Studienzeit begonnen habe.
Wir proben alle zwei Wochen eine gute Stunde. Über den regen Probenbesuch freue ich mich sehr, es sind alle ungeheuer fleißig und regelmäßig dabei. Derzeit sind es 15 Spielerinnen und Spieler im Alter von 50 bis 86 Jahren. Unsere Spielliteratur umfasst vor allen Dingen volkstümliche Musik und Evergreens. Beim diesjährigen Dorffest in Brigachtal vom 23. bis 25. Juli gibt es die Möglichkeit, uns live auf der Bühne zu erleben.
Für mich gibt es entscheidende Argumente, die für das Angebot von Instrumentalunterricht im Erwachsenenalter sprechen. Zunächst einmal ist es die Erkenntnis, dass wir lebenslang lernen und uns in jedem Alter weiterentwickeln können. Und schon allein das spricht für sich.
Aber: Man muss sich Zeit zum Lernen geben und es wirklich wollen. Ich höre oft von meinen erwachsenen Schülerinnen und Schülern, dass sie schon früher gerne ein Instrument gespielt hätten, aber nicht die Möglichkeit dazu hatten: Es fehlte die Zeit und oft auch das Geld. Nun, im (Renten-)Alter haben sie endlich Zeit und eben auch die finanziellen Mittel, um sich dem Unterricht zu widmen. Außerdem bringt man viel Lebenserfahrung mit und – ganz wichtig – man macht es freiwillig. Die Motivation ist somit sehr groß.
Für das Musizieren sind außerdem Konzentration und Ausdauer gefragt. Das Akkordeonspielen kann daher als Ablenkung in Lebenskrisen behilflich sein. Besonders schön ist es, wenn sich Erfolge einstellen und man Applaus für sein Spiel bekommt. Dies ist natürlich vor allem beim Spielen in einer Spielgruppe möglich. Noch dazu fördert das gemeinsame Musizieren die Geselligkeit und beugt Vereinsamung im Alter vor.
Musik gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen: Sie hat eine positive Wirkung auf Seele und Psyche. Musik wirkt entspannend und man freut sich über jedes Stück, das man selber spielen und vortragen kann. Im Alter steht nicht der Leistungsdruck im Vordergrund, sondern die Freude und der Spaß am Spielen. Das Akkordeonspiel im Speziellen schult besonders die Feinmotorik und die Koordinationsfähigkeit, es schärft und fordert alle Sinne.
Zu beachten sind allerdings unbedingt die körperlichen Voraussetzungen der Mitwirkenden. Man sollte sich zusammen viel Zeit nehmen, das richtige Instrument zu finden, vor allem in Bezug auf Größe und Gewicht. Außerdem müssen wir als Lehrkräfte Literatur finden, die Spielfreude erzeugt und nicht zu schwer ist.
Mein Fazit durch meine Erfahrung beim Unterrichten: Lernen und musizieren kann jeder. Erwachsene Schülerinnen und Schüler brauchen vielleicht etwas mehr Zeit und Geduld als jüngere. Aber das gemeinsame Musizieren, der Erfolg und der Spaß sprechen für sich, und jede Minute, die man investiert, lohnt sich!
Deshalb: Seid mutig und erkundigt euch, wo das Erlernen eines Instrumentes möglich ist. Ob im Verein oder in der Musikschule: Der erste Schritt ist der wichtigste – anmelden und beginnen!