Ein Praxisbeispiel aus Nordrhein-Westfalen
Keine Frage, gerade herrschen besondere Umstände für alle und gerade auch das gemeinsame Musizieren, lieb gewonnenes Hobby für viele, ist nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Bundesländer geben ein unterschiedliches Schrittempo zur Bewältigung der Krise vor. Das bedeutet: Es gelten auch überall unterschiedliche Regeln. Anita Brandstädter vom Akkordeon-Orchester Wesseling in Nordrhein-Westfalen stellt uns die aktuellen Regelungen in ihrem Bundesland vor, berichtet, wie es ihrem Verein in dieser Zeit geht, welche Lücken die Krise in den Spiel-, Proben- und Aufführungsbetrieb gerissen hat und wie man in die Zukunft blickt.
Text: Anita Brandtstäter; Foto: Wolfhard Brandtstäter
Am 12. März 2020 hatte das 1965 gegründete Akkordeon-Orchester Wesseling die letzten „Veranstaltungen“: die Proben des Orchesters und im Rahmen des Workshops „Gemeinsam musizieren mit Quetsch“ für Nachwuchs-Musiker. Danach musste der Workshop vorzeitig beendet, der Probenbetrieb eingestellt und das geplante Akkordeonkonzert mit und für den Nachwuchs am 26. März 2020 abgesagt werden. Auch in der Aspiranten-Gruppe und im Akkordeon-Trio Plus durfte nach der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr geprobt werden. Akkordeonunterricht und Musikunterricht war nur virtuell via Zoom erlaubt.
Inzwischen sind außerdem etliche Veranstaltungsabsagen eingegangen, das Akkordeon-Trio Plus kann nicht beim 10. Wesselinger RheinKlang 669 Festival im Mai auftreten, die geplanten Auftritte beim Parkfest zum 75-jährigen Jubiläum der Diakonie Michaelshoven im August, beim Kurfürstlichen Beethoven-Fest Bad Godesberg, ebenfalls im August, bei „Bühne frei für Beethoven“ zur Eröffnung des Beethovenfestes im Jubiläumsjahr BTHVN2020 Anfang September wurden jeweils von den Veranstaltern abgesagt bzw. auf 2021 verschoben.
Lockerungen in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen gibt es jetzt einen ersten Fahrplan zur Lockerung der Restriktionen im Kulturbereich – für die Proben von Orchester, Akkordeon-Trio Plus und Aspiranten-Gruppe sowie die geplanten Konzerte gibt es damit erste Perspektiven. Ab 11. Mai sind kleinere Konzerte und andere öffentliche Aufführungen unter freiem Himmel zulässig. In Musikschulen sind auch Ensembles mit maximal sechs Teilnehmern und Teilnehmerinnen möglich. Ab 4. Mai war schon Einzelunterricht wieder gestattet. Der Probenbetrieb in Kultureinrichtungen ist unter Schutzauflagen zulässig, für Chöre und Orchester gelten erweiterte Abstandsregeln. Entsprechende Regelungen wurden dann in den §§ 7 und 8 zu externen außerschulischen Bildungsangeboten und zur Kultur der Corona-Schutzverordnung ab 11. Mai 2020 dokumentiert.
Probenbetrieb professioneller Orchester
Für den Probenbetrieb professioneller Orchester gibt es Empfehlungen, die in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin entstanden sind, die sicher auch auf Laienorchester übertragbar sind:
- Schlagzeuger/-innen mit Stuhlabstand 1,5 m.
- Vermeidung der gemeinsamen Nutzung von Instrumenten und Zubehör.
- Tasteninstrumente mit Stuhlabstand 1,5 m.
- Abstand zwischen Dirigenten/-innen zu den Orchestermusikerinnen und -musikern mindestens 2 m bei der Probe und 1,5 m beim Konzert.
- Symptom-Achtsamkeit: Tägliche Selbstüberprüfung von auf COVID-19 hindeutende klinische Zeichen wie Fieber, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Schwächegefühl, Geruchs-/Geschmackstörung.
- Freistellung von Musikern/-innen der Hochrisikogruppen für COVID-19-Infektionen. Wenn gewünscht, können sie am Spielbetrieb teilnehmen.
- Beachtung der Händehygiene und Hustenetikette, Händedesinfektion oder Händewaschen mindestens beim Betreten und Verlassen der Probenstätte.
- Körperliche Distanz von mindestens 1,5 m im allgemeinen Umgang. In geschlossenen Räumen außerhalb des Konzertsaals sollte ein Mundnasenschutz getragen werden, auf dem Podium ist dieser nicht mehr erforderlich.
- Normale Reinigung der Räume einschließlich Toiletten
- Betrieb von Klimaanlagen oder alternativ regelmäßige Durchlüftung.
Weitere Stellungnahmen kommen zu ähnlichen Empfehlungen, z. B. die Risikoeinschätzung einer Coronavirus-Infektion im Bereich Musik von Prof. Dr. med. Dr. phil. Claudia Spahn, Prof. Dr. med. Bernhard Richter vom Freiburger Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und der Hochschule für Musik Freiburg und die Experimente von Prof. Christian Kähler mit Dr. Rainer Hain von der Universität der Bundeswehr in München mithilfe einer Gesangsdozentin des Salzburger Mozarteums sowie Bläsern und Bläserinnen des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München.
Räumlichkeiten der Stadt Wesseling
Als Proberaum hat die Stadt Wesseling dem Verein seit 1989 die Aula Gartenstraße zur Verfügung gestellt – ein großer Raum mit Bühne für bis zu 400 Zuschauende. Den Empfehlungen des Landes zur Entschleunigung der Ausbreitung von COVID-19 folgend hatte die Stadt Mitte März darüber informiert, dass Schulaulen für sämtliche Nutzungen nicht mehr verwendet werden sollen – zunächst bis zum 29. März und in einem späteren Schreiben bis auf weiteres.
Im Zuge der aktuellen Corona-Lockerungen haben Bund und Länder nun eine Wiederaufnahme der Nutzungen in öffentlichen Räumlichkeiten und Hallen erlaubt. Die Ziele des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung stehen dabei aber unverändert im Mittelpunkt. Danach sind in städtischen Räumlichkeiten Nutzungen zu Kultur- und Brauchtumszwecken in Wesseling ab dem 11. Mai 2020 wieder möglich. Die Vorgaben passen zu den Empfehlungen des Probenbetriebs professioneller Orchester und können auch in den Proben des Akkordeon-Orchesters umgesetzt werden:
- Einhaltung von Distanzregeln. Ein ausreichend großer Personenabstand (1,5 bis 2 m) muss gewährleistet sein.
- Der Zutritt zu den Hallen und Räumlichkeiten ist unter Vermeidung von Warteschlangen durch den Verein zu steuern.
- Kontaktfreie Durchführung von Proben.
- Veranstaltungen und Aufführungen sind nicht erlaubt.
- Konsequente Einhaltung der Hygiene- und Desinfektionsvorschriften des Robert-Koch-Instituts.
- Das Risiko für Angehörige von Risikogruppen ist bestmöglich zu minimieren.
- Zuschauer/-innen sind nicht zugelassen.
Wiederaufnahme der Probenarbeit
Der Vorstand wird auf dieser Basis einen Probenplan unter Angabe der genutzten Zeiten und der Art der Nutzung sowie ein Proben- und Hygienekonzept erarbeiten – die Abstandsregeln für Orchester lassen sich im Zuschauerraum, nicht auf der Bühne, ohne Probleme umsetzen. Außerdem wird ein Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin nominiert, der oder die für die Einhaltung dieser Vorgaben im Probenbetrieb verantwortlich ist und auch Gesprächspartner/-in bei städtischen Prüfungen ist. Daraufhin erwarten die Musiker und Musikerinnen eine schriftliche Nutzungsgenehmigung für die Aula Gartenstraße zu den üblichen Probezeiten – voraussichtlich ab 28. Mai 2020.
Sicher wird das Spielen im Orchester mit Abstandsregeln etwas schwieriger werden, denn normalerweise gilt, dass man sich möglichst eng zusammensetzt, um sich optimal gegenseitig zu hören. Und die Akustik auf der Bühne ist auch eine andere als im Zuschauerraum. Aber sich überhaupt wieder zu treffen und gemeinsam zu musizieren nach dann elf Wochen ist einfach wichtig.
Allerdings wird der ursprünglich ab 14. Mai geplante Workshop „Gemeinsam musizieren mit Quetsch“ für den Nachwuchs unter diesen Bedingungen nicht durchführbar sein. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Verein hatte dafür im Beethovenjahr ein besonderes Musikvermittlungsprojekt „Beethoven … Anders“ geplant und vorbereitet.
Und ob das traditionelle Rheinparkkonzert, ein am Sonntag, 23. Juni 2020, um 16 Uhr geplantes Open-Air-Konzert im Musikpavillon im Wesselinger Rheinpark, stattfinden kann, steht noch in den Sternen.
Ergänzende Informationen findet man auf den Verbandsseiten des Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V. und des Deutschen Harmonika-Verband e.V.